Die Rückkehr der verhassten Troika nach Athen

GREECE PARLIAMENT
GREECE PARLIAMENT(c) APA/EPA/ORESTIS PANAGIOTOU (ORESTIS PANAGIOTOU)
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Athen platziert mit Erfolg Anleihen und greift auf Reserven zurück, um sich finanziell über Wasser zu halten. In Brüssel wird derweil der griechische Staatshaushalt unter die Lupe genommen.

Brüssel/Athen. Die Troika ist tot, lang lebe die Brüsseler Gruppe – so lautet seit dem gestrigen Mittwoch die offizielle Bezeichnung jener drei internationalen Geldgeber, mit denen die griechische Regierung über den Abschluss des laufenden Hilfsprogramms und die Auszahlung der noch ausständigen Kredittranche verhandelt. Nachdem die Links-rechts-Regierung von Premier Alexis Tsipras den Griechen die Vertreibung der Troika aus Athen versprochen hat, zugleich aber auf die Unterstützung von EU-Kommission, EZB und IWF angewiesen ist, musste schleunigst ein neuer Name für die drei Helfer her. Nach einer kurzen Phase, in der die Troika als „die Institutionen“ tituliert wurde, heißt das Trio nun Brüsseler Gruppe. Der Grund: Seit gestern wird in der EU-Hauptstadt das griechische Budget unter die Lupe genommen, um das Ausmaß des Finanznotstands zu erfassen. Am heutigen Donnerstag sollen internationale Experten in Athen den ersten Lokalaugenschein seit Oktober durchführen.

Die Zeit drängt, denn Griechenland droht das Geld auszugehen. Am Mittwoch konnte sich Athen durch die Emission von Anleihen mit dreimonatiger Laufzeit (sogenannten T-Bills) mit einem Volumen von 1,3 Mrd. Euro eine kleine Atempause verschaffen. Dieses Geld ist allerdings schon verplant, denn im Lauf des März muss Athen T-Bills im Umfang von 2,9 Mrd. Euro refinanzieren – die erste, 1,3 Mrd. Euro schwere Tranche, wird am Freitag fällig. Außerdem muss Athen dem IWF 1,2 Mrd. Euro zurückzahlen. Hinzu kommen 1,5 Mrd. Euro für Pensionen und Gehälter der Staatsbediensteten sowie 1,3 Mrd. Euro für Gesundheits- und Sozialleistungen.

Pfändung deutschen Eigentums?

Durch den Zugriff auf eiserne Reserven im Bankenabwicklungsfonds HFSF sowie auf Mittel der Agraragentur OPEKEPE und der Post- und Telekombehörde EETT steht der Regierung rund eine Milliarde Euro zur Verfügung. Nach dem Rest wird fieberhaft gesucht. Sofern die internationalen Gläubiger nicht zusätzliche Mittel lockermachen bzw. die EZB die Ausgabe neuer Schuldscheine genehmigt, bleiben Athen de facto nur noch zwei Optionen offen: die Töpfe der Sozialversicherungsfonds und die Goldreserven der Notenbank, die knapp fünf Milliarden Euro ausmachen sollen. Die akute Geldnot dürfte am Freitag das Hauptthema bei den Gesprächen zwischen Tsipras, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk sein.

Einen kreativen Einfall hatte indes Justizminister Nikos Paraskevopoulos: die Pfändung deutschen Eigentums im Zusammenhang mit Reparationsforderungen aus dem Zweiten Weltkrieg. Zunächst betreffen diese die individuellen Ansprüche der Opfer der deutschen Besatzungszeit von 1941 bis 1944 und ihrer Nachkommen. Sie wurden nach Auffassung Deutschlands in einer griechisch-deutschen Vereinbarung 1960 abgegolten, als Deutschland sich zur Zahlung von damals 115 Millionen Deutschen Mark verpflichtete. Dieser Vertrag ist im Zusammenhang einer deutsch-griechischen Annäherung dieser Jahre zu sehen. Deutschland importierte griechische Rosinen, Tabake – und Gastarbeiter; Griechenland ließ Kriegsverbrecher wie Max Merten laufen und erhielt Entschädigungszahlungen. Ein Jahr später, 1961, rückte Deutschland übrigens nochmals 4,8 Millionen Mark zur Entschädigung für beschlagnahmte orientalische Tabake heraus – Nutznießer war unter anderen die Austria Tabak, damals in deutschem Reichsbesitz.

Nach Tsipras' Auffassung sind damit aber kollektive Reparationsforderungen, wie etwa die Zahlung der deutschen Zwangsanleihe der Besatzungszeit, nicht geregelt worden. Insgesamt geht es nach Berechnungen der griechischen Zentralbank um Reparationszahlungen von heute 105 bis 130 Mrd. Euro. Doch hier verweist Deutschland auf das Londoner Schuldenabkommen von 1953 und auf das 4+2-Abkommen des Jahres 1990 zur deutschen Vereinigung, mit dem sämtliche Entschädigungszahlungen vom Tisch wären.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2015)

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