Athen will „Money for nothing“

Greek Prime Minister Alexis Tsipras Speaks To Syriza Party Committee
Greek Prime Minister Alexis Tsipras Speaks To Syriza Party Committee(c) Bloomberg (Yorgos Karahalis)
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Hinter der griechischen Forderung nach einer „politischen Lösung“ der Schuldenkrise steht der Wunsch nach weiterer Finanzierung durch die EZB – ohne Auflagen.

Brüssel. Es ist ein Paradebeispiel dessen, was im Englischen gemeinhin als „Elephant in the room“ bekannt ist: ein Problem, das sich nicht verbergen lässt, aber aufgrund seiner Brisanz bewusst ignoriert wird. Die Rede ist von Griechenland, das zwar offiziell nicht auf der Tagesordnung des am heutigen Donnerstag beginnenden Treffens der EU-Staats- und Regierungschefs steht, aber nichtsdestoweniger die Gespräche in Brüssel dominieren dürfte – und zwar aus zwei Gründen. Erstens, weil die finanzielle Lage in Athen dramatisch ist. Erst am späten Mittwochabend waren die Gespräche zwischen der griechischen Regierung und den internationalen Geldgebern über die weitere Zusammenarbeit gescheitert.

Und zweitens, weil Alexis Tsipras sein Land zur europäischen Chefsache erklären möchte. Dem Vernehmen nach drängt der griechische Premierminister auf einen informellen Mini-Gipfel am Rande des EU-Gipfels, von dem er sich eine „politische Lösung“ der griechischen Krise erhofft. Dass es zu einem Treffen kommt, gilt mittlerweile als fix, am gestrigen Mittwoch war noch nicht klar, wann und in welcher Form diese Zusammenkunft stattfinden wird. „Die Entscheidung liegt bei Ratspräsidenten Donald Tusk“, sagte ein hochrangiger EU-Beamter.

Eigentlich sollte ein derartiges Treffen nicht notwendig sein, denn die Finanzminister der Eurozone hatten sich am 20.Februar auf einen Aktionsplan für Griechenland geeinigt. Das Problem ist nur, dass die griechische Regierung offenbar nicht dazu bereit ist, die zugesagten Bedingungen zu erfüllen, damit die letzte, 7,2 Mrd. Euro schwere Tranche des internationalen Hilfsprogramms nach Athen überwiesen werden kann. Experten von EU, EZB und IWF, die in Athen die Staatskonten prüfen sollten, werden von den Behörden hingehalten, zugesagte Reformen nicht in die Wege geleitet und Vereinbarungen umgedeutet, klagt ein Kenner der Materie. Nicht einmal die seinen Wählern versprochene Offensive gegen wohlhabende Steuerflüchtlinge habe Tsipras bisher begonnen – womit der unschöne Verdacht im Raum stehe, die regierenden Linkspopulisten hätten sich nach nicht einmal zwei Monaten im Amt bereits mit den von ihnen verteufelten Oligarchen arrangiert.

Cannabis und Weltrevolution

Dass Tsipras die Angelegenheit politisieren will, hat einen weiteren Grund: Das Gesprächsklima in der Eurogruppe, dem Gremium der Finanzminister der Währungsunion, ist dermaßen vergiftet, dass sachliche Verhandlungen mittlerweile unmöglich erscheinen. Wer Diplomaten hinter vorgehaltener Hand nach einer Einschätzung des griechischen Ressortchefs Yanis Varoufakis fragt, bekommt undiplomatische Antworten zu hören. Die Wortwahl reicht von Ignoranz über Arroganz bis hin zur „zerebralen Insuffizienz“ – vulgo Schwachsinn. „Keiner dieser Herrschaften ist je einer handfesten Arbeit nachgegangen. Sie wissen schlicht und ergreifend nicht, was sie tun sollen. Es reicht nicht aus, zu kiffen und von der Weltrevolution zu träumen“, lautet eine wenig schmeichelhafte Einschätzung.

Was also bezwecken Tsipras und Co., nachdem den griechischen Worten bis dato keine Taten gefolgt sind? Dass Varoufakis die Finanznöte unlängst als „unbedeutende, kleine Liquiditätsprobleme“ bezeichnet hat, deutet darauf hin, dass Athen die Situation so weit zuspitzen möchte, bis Europa die Nerven verliert und ohne Auflagen Geld bereitstellt, um ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone zu vermeiden – eine Strategie, die als „Money for nothing“ zusammengefasst werden kann. Das Wort Liquiditätsprobleme ist dabei als Handlungsanweisung an die Europäische Zentralbank zu verstehen. Das Problem ist nur, dass Griechenland in erster Linie kein Liquiditäts-, sondern ein Solvenzproblem hat – weitere Maßnahmen der EZB wären angesichts der Lage keine normale geldpolitische Operation, sondern würden eher einer direkten Finanzierung des griechischen Staats gleichkommen. „In Athen scheint man allen Ernstes zu glauben, dass die EZB wie die Zentralbank von Venezuela funktioniert“, kommentiert ein EU-Beamter. Wie nah die Griechen an der Zahlungsunfähigkeit sind, ist in Ermangelung eines Einblicks in die Bücher schwer zu beurteilen. Dem Vernehmen nach geht der IWF davon aus, dass Athen bis Mai über die Runden kommen kann. Die EZB kalkuliert hingegen mit Ende April.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2015)

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