EU-Gelder fließen in falsche Kanäle – ohne Folgen

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Die deutsche EU-Abgeordnete Inge Grässle kämpft gegen die Vertuschun bei der Vergabe von EU-Förderungen.

Wien/Straßburg. „Weggucken ist nicht die Lösung“, ärgert sich Inge Grässle. Die deutsche EU-Abgeordnete (CDU) kämpft als Leiterin des Haushaltskontrollausschusses im Europaparlament für Sauberkeit und Transparenz bei der Vergabe von EU-Förderungen. In ihrem Entlastungsbericht zur EU-Kommission für das Budget 2013 führt sie erneut zahlreiche Ungereimtheiten auf. Doch die Kommissionsführung, davon zeigt sie sich im Gespräch mit der „Presse“ überzeugt, werde erneut versuchen, die Probleme kleinzureden. Die EU-eigene Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf, so Grässle, arbeite ineffizient und werde von den Verantwortlichen in der EU-Kommission gedeckt. „Eigentlich müsste Olaf gegen sich selbst ermitteln.“

Die Vorwürfe wiegen schwer. Grässle führt in ihrem Bericht zahlreiche Fälle an, die eigentlich Konsequenzen haben müssten. So werden EU-Hilfen an Projekte überwiesen, die es in der angegebenen Größe nicht gibt. Als extremstes Beispiel nennt die Abgeordnete den Fall der International Managementgroup (IMG). Die Organisation, die regelmäßig EU-Gelder erhielt, setzt nach eigenen Angaben Hilfsprojekte in Krisenländern um. Doch laut Olaf-Ermittlungen, über die der „Spiegel“ berichtete, existiert die Organisation gar nicht als juristische Person. Es gebe „Anzeichen von Betrug und Geldwäsche“, so die Ermittler.
Laut Grässle ist das kein Einzelfall. Einige Mitgliedstaaten nehmen es bei den von ihnen verteilten EU-Geldern mit der Kontrolle nicht sehr ernst. Geht es um Hilfen für die Landwirtschaft, für Regional- oder etwa Sozialprojekte, so werde die EU-Kommission nachträglich fehlerhaft über die Geldflüsse informiert. „Seit Jahren weisen unter anderem das Vereinigte Königreich, Griechenland und Spanien schlechte und zudem nachweislich inkorrekte oder falsche Angaben auf – ohne Folgen“, kritisiert Grässle.

Der Verdacht steht im Raum, dass EU-Gelder zu einem beträchtlichen Teil nicht dort ankommen, wo sie vorgesehen waren. Im Bericht zum Haushalt 2013 verweist die Abgeordnete auf „941 Finanzinstrumente“, über die EU-geförderte Regionalprojekte in den Mitgliedstaaten abgewickelt werden. Laut Grässle flossen zwar 14,3 Milliarden Euro an diese Finanzinstrumente, doch lediglich 47 Prozent der Gelder erreichten die vorgesehenen Endempfänger. Dazu kommt, dass Projekte finanziert wurden, die für die Bevölkerung keine Verbesserung brachten. Als Beispiel nennt die Abgeordnete die Privatisierung der Wasserversorgung in Skorkov (Tschechien). Die Versorgung von 267 Häusern wurde mit 1,1 Millionen Euro von der EU mitfinanziert. In Folge wurde der Preis für Trinkwasser aber um 45 Prozent erhöht. Durch die hohe Gebühr sind viele Einwohner erneut auf ihren eigenen Brunnen angewiesen.

Ähnlich ist die Lage bei der Hilfe für Roma. Sie wurde zwar von der EU-Kommission öffentlichkeitswirksam angekündigt. Doch die dafür vorgesehenen Gelder werden von den betroffenen Mitgliedstaaten ohne effiziente Kontrolle verteilt. „Die für die Integration von Roma verfügbaren Mittel werden nicht immer für diesen Zweck verwendet“, kritisiert Grässle in ihrem Bericht.
Um solche Entwicklungen künftig zu vermeiden, fordert Grässle die rasche Einführung von Sanktionen gegen Mitgliedstaaten, die über die Verwendung von EU-Geldern falsch informieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2015)

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