Online-Dienste: Ausbruch aus „digitalem Hausarrest“

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Die EU-Kommission stellt Anfang Mai Vorschläge zur Förderung grenzüberschreitender Online-Dienste vor – nationale Barrieren soll es dann nicht mehr geben.

Brüssel. Geht es nach den Vorstellungen von Andrus Ansip, soll in Kürze in Europa die computergestützte Wirtschaft eine neue Blütezeit erleben. Zu viele EU-Bürger seien heute in einem „digitalen Hausarrest“ gefangen, kritisierte der Vizepräsident der EU-Kommission am Mittwoch. Anlass war eine erste Orientierungsdebatte über die Vollendung des digitalen Binnenmarkts. Am 6. Mai wird Ansip die Details der beabsichtigten Gesetzesinitiative präsentieren, doch die Stoßrichtung der Reform ließ sich bereits gestern erkennen.

Die Kommission geht davon aus, dass die Abschaffung aller Barrieren am Online-Binnenmarkt der EU-Wirtschaft einen ähnlichen Schub verpassen könnte wie das Freihandelsabkommen mit den USA: Es geht demnach um eine Steigerung der Wirtschaftsleistung um geschätzte 340 Mrd. Euro sowie hunderttausende zusätzliche Arbeitsplätze. Dass das Potenzial groß ist, verdeutlicht folgende Statistik: Während Online-Dienstleister aus den USA (Amazon, ebay und Co.) in der EU einen Marktanteil von 57 Prozent haben, kommen grenzüberschreitende europäische Anbieter auf lediglich vier Prozent – den Rest machen nationale Online-Dienstleistungen aus.

Der erste – und wohl wichtigste – Bereich, in dem nach Ansicht der Brüsseler Behörde Reformen angesagt sind, ist die Verbesserung des Zugangs zu Produkten und Dienstleistungen für Verbraucher. Es geht dabei auch um ein Ende des sogenannten Geoblocking – des Blockierens von digitalen Inhalten aus dem EU-Ausland, das dem Kommissionsvizepräsidenten ein persönliches Anliegen sein dürfte: „Ich hasse Geoblocking aus tiefstem Herzen.“ Weitere Schwerpunkte sind eine Harmonisierung der Mehrwertsteuersätze, günstigere Tarife beim Onlineversand sowie Anreize für Klein- und Mittelbetriebe, ihre Waren und Dienstleistungen grenzüberschreitend zu vertreiben (derzeit lediglich sieben Prozent).

Das zweite Kernelement der Vorschläge betrifft den Umgang mit Urheberrechten – am Mittwoch war von der „richtigen Balance zwischen den Interessen der Konsumenten und der Kreativen“ die Rede. Wo er dieses Gleichgewicht verortet, wollte Ansip allerdings nicht sagen. Ähnlich vage war die Ankündigung zum Umgang mit illegalem Content (etwa Raubkopien). Punkto Schutz personenbezogener Daten wurde auf die neue EU-Datenschutzrichtlinie verwiesen – an der freilich bereits seit gut drei Jahren herumgedoktert wird. Und zu guter Letzt soll der Vorschlag der Kommission auch Anreize zu Investitionen in die digitale Infrastruktur sowie eine zügige Vergabe von Mobilfunklizenzen für den neuen Standard 4G umfassen.

Zwar skizzierte Ansip das Vorhaben gestern lediglich in groben Zügen, von der Grünen Fraktion im Europaparlament gab es nichtsdestotrotz Lob: „Die EU-Kommission gibt offenbar nicht dem Druck der Lobbyisten nach“, sagte Julia Reda, die Berichterstatterin des Europäischen Parlaments zur Copyright-Reform. Wobei Ansip gestern auch zugegeben hat, dass diesbezüglich noch viel Arbeit bevorsteht: „Ich mache mir keine Illusionen. Das wird ein harter Kampf werden.“

Österreich im Mittelfeld

Apropos Illusionen: Von diesen sollte sich verabschieden, wer Österreich zur Speerspitze der digitalen Avantgarde in Europa zählt. Im sogenannten Digital Economy and Society Index (DESI) der EU, der unter anderem die Breitbanddichte und digitale Nutzungsbedingungen erfasst, belegt Österreich lediglich den 13. Platz. An der Spitze liegen Dänemark und Schweden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2015)

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