Griechenland: Athen kokettiert mit dem Osten

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Die Regierung reizt den Spielraum der Europartner aus und hält sich die Option neuer Geldquellen aus Russland und China offen. Doch dort werden Gegengeschäfte erwartet.

Wien/Athen. Die Woche nach Ostern wird entscheidend. Nach neuen Verzögerungen in den Verhandlungen um eine Freigabe von 7,2 Milliarden Euro an Notkrediten für Griechenland werden die Eurofinanzminister voraussichtlich erst am kommenden Dienstag zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen. Einen Tag später reist Griechenlands Ministerpräsident, Alexis Tsipras, nach Moskau. Athen dementiert zwar derartige Pläne. Aber die aktuelle Finanzsituation könnte Griechenland tatsächlich in die Hände von Wladimir Putin treiben. Wie einst bei Zypern steht eine Nothilfe für Griechenland im Raum, die dem Kreml politischen Einfluss in einem der EU-Länder sichern würde. Der Fraktionsvorsitzende der EVP im Europaparlament, Manfred Weber, kritisiert Tsipras für diese „riskante Strategie“. „Sein Kokettieren mit Russland erschwert eine konstruktive Lösung mit Europa in den Finanzfragen“, so Weber in Spiegel Online.

Tatsächlich nehmen die Ausflüge von griechischen Spitzenpolitikern in den Osten zu. Am gestrigen Montag ist Energieminister Panagiotis Lafazanis in Moskau mit seinem Amtskollegen, Alexander Novak, und Gazprom-Chef Alexei Miller zusammengetroffen. Am Sonntag war Vizeregierungschef Yanis Dragasakis in Peking. Beim Treffen in Moskau ging es um günstige Gaslieferungen und dem Vernehmen nach auch um eine eventuelle Beteiligung der Gazprom am griechischen Gaskonzern Depa; in Peking um einen möglichen Teilverkauf des Hafens Piräus an das chinesische Transportunternehmen Cosco.

Sowohl Russland als auch China haben zwar eine engere Kooperation mit dem hoch verschuldeten Land angeboten. Doch beide wollen mit einem solchen Schritt auch strategische Ziele realisieren. China sieht in Piräus ein Wachstumspotenzial, weil sich der internationale Handel zwischen Europa und Asien verstärken könnte. Sind die großen Häfen am Atlantik traditionell auf das Geschäft mit den USA ausgerichtet, könnte Piräus zur Drehscheibe für Waren aus der boomenden Pazifik-Region werden. Russland sieht eine Chance, den von der ehemaligen Regierung 2013 gestoppten Verkauf des staatlichen Gaskonzerns Depa an Gazprom doch noch unter Dach und Fach zu bekommen. Damals ging es um einen Anteil von 65 Prozent. Die neue Regierung unter Tsipras hat die Privatisierungen vorerst völlig gestoppt, könnte aufgrund des finanziellen Drucks aber künftig zu einem Verkauf gezwungen sein. Energieminister Lafazanis hat bis zuletzt darauf gepocht, dass kein Verkauf von Depa infrage komme. Er wolle lediglich über günstige Gaslieferungen verhandeln. Gazprom liefert rund 80 Prozent von Griechenlands jährlichem Gasbedarf.

Da Russland durch die Sanktionen und den sinkenden Ölpreis selbst in finanzielle Nöte geraten ist, kann Griechenland kaum mit einer Hilfe ohne einen gleichzeitigen wirtschaftlichen Mehrwert für die russische Seite rechnen. Allerdings dürfte es auch im politischen Interesse Putins liegen, eine Regierung in Athen an seine Seite zu bringen, die den EU-Sanktionen bereits in der Vergangenheit kritisch gegenüberstand.

So sieht das auch ein deutscher Bundestagsabgeordneter. Grundsätzlich sei es zwar kein Problem, sich Geld in Moskau oder Peking zu leihen, meint der CDU-Politiker. Aber: „Weder Russland noch China hat Geld zu verschenken.“ So wäre es aus Sicht des Abgeordneten äußerst problematisch, wenn das Transportunternehmen Cosco den Zuschlag für den Hafen von Piräus erhält – und zwar ohne Ausschreibung, aber im Gegenzug für milliardenschwere Kredite.

Derlei Investitionen, die das europäische Ausschreibungsverfahren verletzen und damit einem offenen Bruch von EU-Recht gleichkämen, hätten für Griechenland wohl weitreichende Konsequenzen: Ein möglicherweise benötigtes drittes Hilfspaket hätte dann gewiss keine Mehrheit im deutschen Bundestag, wie „Die Presse“ aus Regierungskreisen in Berlin erfuhr.

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„Nicht unsere Zeit, die davonläuft“

Schon in den vergangenen Wochen hat die Links-rechts-Regierung in Athen die Nerven der europäischen Geldgeber gehörig strapaziert. Am Wochenende legten Regierungsvertreter in Brüssel abermals nur vage Reformvorstellungen vor, die aus Sicht der EU-Partner kaum ausreichend sein dürften. „Es ist nicht unsere Zeit, die davonläuft“, meint der deutsche Abgeordnete dazu lapidar. „Wir haben kein Problem damit, das Geld erst am 30. 6. zu überweisen.“ An diesem Tag läuft das zweite Hilfsprogramm für Athen endgültig aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2015)

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