Verfrühte Hoffnung auf Kurswechsel in Athen

Prime Minister Alexis Tsipras Speaks To Lawmakers As Greece In Danger Of Default
Prime Minister Alexis Tsipras Speaks To Lawmakers As Greece In Danger Of Default(c) Bloomberg (Kostas Tsironis)
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In Brüssel wird über eine „Säuberung“ der linkspopulistischen Syriza durch Tsipras spekuliert. Doch der Regierungschef dürfte erst nach einer Einigung mit Gläubigern Griechenlands zur Tat schreiten.

Athen. Geht es nach den Voraussagen mancher Europäer, dann müsste Griechenland am orthodoxen Gründonnerstag, den 9.April, pleitegehen. An diesem Tag ist eine Kreditrate in Höhe von 458 Mio. Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzuzahlen. Doch wie nun auch aus zuständigem griechischen Munde, durch Finanzminister Yanis Varoufakis nach seinem Gespräch mit IWF-Präsidentin Christine Lagarde am Sonntag, verlautet, wird Athen zahlen. Der Showdown wird also ausbleiben, das klärende Gewitter in der Griechenland-Frage auf die zweite Aprilhälfte verschoben.

In Brüssel gehen inzwischen manche davon aus, dass Ministerpräsident Tsipras gern weitere Kompromisse mit den Partnern schließen würde, dass ihn aber die Linksopposition innerhalb von Syriza beziehungsweise der rechte Koalitionspartner Anel nicht lässt. Die Brüsseler Verhandler wünschen sich, dass Tsipras mit seinen Hardlinern bricht und sich neue Koalitionspartner in der linken Mitte, bei der sozialistischen Pasok und Potami, sucht. Doch wie realistisch ist das?

Tatsächlich sind knapp zweieinhalb Monate nach dem Wahlsieg von Syriza am 25.Jänner 2015 innerparteiliche Grabenkämpfe ausgebrochen. Doch die Bruchlinien innerhalb von Syriza und mit Anel liegen bislang nicht hauptsächlich in den für die Schuldenkrise wichtigen Bereichen. So hat zwar die Linke Plattform mit ihrem Wortführer, dem Entwicklungsminister Panagiotis Lafazanis, die Vereinbarungen vom 20.Februar innerhalb der Eurogruppe kritisiert, im Rahmen derer sich Griechenland zu Reformen verpflichtet hat, doch letztlich hat Lafazanis das Ergebnis akzeptiert; er bekämpft zurzeit Privatisierungen, doch selbst hier hat er in letzter Zeit Abstriche gemacht. Man sollte seine Flexibilität nicht unterschätzen – immerhin akzeptierte er die Koalition mit den rechtspopulistischen Anel, ohne mit der Wimper zu zucken.

Zores mit dem Innenministerium

Die größten innerparteilichen Probleme bereitet Tsipras zurzeit das aufgeblasene Innenministerium, das unter anderem Immigration und öffentliche Ordnung betreut. Der für öffentliche Ordnung zuständige Staatssekretär, Giannis Panousis, wurde in der Frage der Öffnung der Auffanglager für Immigranten und bei Polizeieinsätzen gegen Anarchisten von anderen Regierungsmitgliedern links überholt und richtete ihnen über eine Tageszeitung aus, dass auch eine Linksregierung das Land nicht ungeschützt lassen dürfte. Tsipras vermied einen Konflikt und löste die Polizeibefugnisse aus der Zuständigkeit des Innenministeriums. Das Thema ist heikel für Tsipras: Der rechte Koalitionspartner ist bei „patriotischen“ Themen wie Immigration und Sicherheit äußerst hellhörig, ein Konflikt mit Syriza absehbar.

Unerwartetes Kopfzerbrechen bereitet der Regierung die neue Parlamentspräsidentin, Zoi Konstantopoulou. Ihr aggressives Vorgehen und ihre Kommentare haben die Opposition aufgebracht. So wollte Tsipras zuletzt im Parlament über eine nationale Linie bei den Verhandlungen mit der EU diskutieren. Die oppositionellen Konservativen verließen jedoch den Sitzungssaal – nicht wegen Differenzen bezüglich der Verhandlungen, sondern wegen einer Auseinandersetzung mit der Parlamentspräsidentin.

Wenn Tsipras die Kontrolle über die Regierung behalten will, wird er wohl eine „Säuberung“ durchführen müssen – diese dürfte jedoch erst nach einer eventuellen Einigung mit den Gläubigern bevorstehen. Auch ein Ersatz für die rechtspopulistischen Anel wird schwer zu finden sein. Eine Koalition mit der Pasok unter ihrem jetzigen Vorsitzenden, Evangelos Venizelos, kommt für Tsipras nicht infrage. Die junge, vom TV-Moderator Stavros Theodorakis gegründete Potami wiederum ist vielen Syriza-Politikern zu liberal.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2015)

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