Vorratsdaten: EU verklagt Österreich

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Weil Telefon- und Internetdaten noch nicht gespeichert werden, zerrt die EU-Kommission Wien vor das Gericht. Österreich war von der Kommission wegen Nicht-Umsetzung bereits zweimal gemahnt worden.

Wien. Die EU macht Ernst: Wie „Die Presse“ erfuhr, verklagt die Europäische Kommission Österreich, weil das Land die Vorratsdatenspeicherung noch nicht umgesetzt hat. Nun droht eine Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Durch die Vorratsdatenspeicherung sollen die Telefonie- und Internetverbindungen aller Bürger aufgezeichnet werden – also auch die Daten jener, die völlig unbescholten sind. Im Falle eines Strafverfahrens wegen bestimmter Delikte kann dann die Justiz auf die präventiv gespeicherten Daten zugreifen. Österreich war von der Kommission wegen Nichtumsetzung der 2006 beschlossenen Richtlinie bereits zweimal gemahnt worden. Wien wartete mit der Umsetzung aber zunächst ab, weil die Rechtskonformität der Richtlinie lange infrage stand. Im vergangenen Februar entschied der EuGH nach einem von Irland und der Slowakei initiierten Verfahren, dass die Richtlinie formal korrekt erlassen wurde. Österreich kündigte daraufhin an, die Richtlinie umzusetzen. Allerdings will man sich damit noch Zeit lassen, um sie möglichst grundrechtsschonend zu verwirklichen.

Durch die Klage der EU lasse man sich auch jetzt nicht unter Druck setzen, versicherte man auf Anfrage der „Presse“ im Infrastrukturministerium. Die Vorratsdatenspeicherung mit ihren gravierenden Auswirkungen auf Datenschutz und Schutz der Privatsphäre sei viel zu sensibel, um eine Regelung übers Knie zu brechen. „Es ist mir besonders wichtig, dass wir hier eine Regelung finden, die den größtmöglichen Schutz persönlicher Daten sicherstellt“, erklärte Ministerin Doris Bures. Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie könne daher erst im Jahr 2010 gerechnet werden.

Bures hatte nach dem Urteil von Februar das Boltzmann-Institut für Menschenrechte mit der Umsetzung der Richtlinie beauftragt. Dieses wird laut Zeitplan im September einen ersten Entwurf vorlegen. Das Thema bietet durchwegs politischen Zündstoff: Schließlich sind drei Ministerien (Verkehrs-, Justiz- und Innenministerium) für die Umsetzung der Richtlinie zuständig.

Und die Länder haben bei der Umsetzung der EU-Bestimmung die Qual der Wahl: So schreibt die EU nur vor, dass die Speicherdauer zwischen sechs Monaten und zwei Jahren liegen muss. Geht es nach Bures, so soll es eine Mindestspeicherdauer von sechs Monaten werden. In den Aufgabenbereich des Justizministeriums fällt die Frage, bei welchen Delikten man auf die Daten zugreifen darf. Die EU verlangt, dass sie bei „schweren Straftaten“ herauszugeben sind. Bleibt die Frage, welche Delikte unter diesen Begriff fallen. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner hielt sich zu dieser Frage bisher bedeckt.

Grundrechtsschützer hoffen

Grundrechtsschützer hoffen indes, dass die gesamte Vorratsdatenspeicherung fällt: Man erwartet, dass als Erstes das deutsche Höchstgericht im Zusammenhang mit einer Bürgerbeschwerde den EuGH anruft. Und dann müssen die EU- Richter die Vorratsdatenspeicherung nicht nur wie bisher auf ihre formale, sondern auch erstmals auf ihre inhaltliche Zulässigkeit prüfen. siehe auch S. 4, Meinung S. 31

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2009)

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