TTIP-Studie: Nur Großkonzerne profitieren vom privaten Investorenschutz

Knapp zwei Drittel der zugesprochenen Entschädigungssummen gingen an Konzerne mit einem Umsatz über zehn Mrd. Dollar.

Wien/Toronto. Sie sind der mit Abstand umstrittenste Teil des geplanten Freihandelsabkommens der EU mit den USA: die Investorenschutzklauseln (ISDS). Dabei ist im Groben festgelegt, dass Konzerne Staaten vor privaten Gerichten auf Schadenersatz in Milliardenhöhe verklagen können, wenn politische Entscheidungen ihre bisherigen Investitionen konterkarieren.

Eine Studie der kanadischen Osgoode Hall Law School in Ontario dürfte nun Wasser auf die Mühle der TTIP-Kritiker sein: Schiedsgerichtsverfahren, so der eindeutige Befund, hätten in der Vergangenheit nur den wirklich großen Unternehmen genützt. Die Autoren nahmen für ihre Untersuchung alle bekannten 45 Fälle bis Frühling 2014 unter die Lupe, bei denen Staaten zu Entschädigungssummen von über zehn Millionen US-Dollar verpflichtet wurden. Insgesamt belaufen sich diese Zahlungen auf fünf Milliarden Dollar (im Vergleich dazu ergaben jene 31 Fälle mit unter zehn Mio. Dollar Entschädigungssumme nur Zahlungen von insgesamt 200 Mio. Dollar). Dabei ergibt sich ein klares Bild: Knapp 64 Prozent gingen an Unternehmen, die mehr als zehn Milliarden Dollar Jahresumsatz haben, 29 Prozent an Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz zwischen einer und zehn Milliarden oder an Privatpersonen mit über 100 Millionen Dollar Vermögen. Lediglich sieben Prozent der gesamten Summe erhielten Unternehmen mit einem Jahresumsatz von unter einer Milliarde Dollar. Studienautor Gus van Harten ist deshalb davon überzeugt, dass „ISDS-Verfahren so gestaltet sind, dass sie für kleine Unternehmen gar nicht zugänglich sind“, wie er der „Süddeutschen Zeitung“ sagte. So sind auch die Verfahrenskosten laut einer Berechnung der OECD mit durchschnittlich mehr als acht Millionen Dollar ausgesprochen hoch – und müssen unabhängig vom Ausgang des Verfahrens unter den Parteien geteilt werden. Im Übrigen erhielt der drittgrößte US-Ölkonzern Occidental Petroleum im Streit mit Ecuador die höchste je durch ein Schiedsgericht zugesprochene Summe: 1,77 Milliarden Dollar.

Bundeskanzler Faymann sieht sich nun in seiner Ablehnung von ISDS bestätigt: „Ich gehe davon aus, dass es bei Verträgen zwischen Rechtsstaaten keine privaten Schiedsgerichte braucht, die nur Großkonzernen Vorteile verschaffen“, heißt es in einer Aussendung. Die US-Seite und viele EU-Regierungschefs beharren auf der Klausel. (aga)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2015)

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