TTIP: Kaum Interesse an Verhandlungstexten im Netz

Protest gegen TTIP
Protest gegen TTIP(c) REUTERS (YVES HERMAN)
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Die TTIP-Dokumente, die die EU-Kommission nach Protesten online veröffentlichte, wurden seit Jahresbeginn kaum angeklickt. Faymann sprach sich indes für "freien Handel zu fairen Bedingungen" aus.

Gegner des Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) hatten lange Zeit Transparenz gefordert - und bekamen sie zum Teil. Seit Jahresbeginn wurden viele Texte zu den Verhandlungen ins Netz gestellt. Doch fast niemand liest sie, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am Freitag unter Berufung auf Zahlen der EU-Kommission berichtete.

Die am 7. Jänner ins Internet gestellten englischsprachigen Verhandlungstexte wurden bis zum 8. April im Durchschnitt nur knapp 2300 Mal angeklickt. Dies entspreche 760 Klicks im Monat und 25 Klicks am Tag.

Nur 55 Mal pro Tag wird geklickt

Die Kommission hatte die Texte ins Internet gestellt, um den von TTIP-Kritikern immer wieder geäußerten Vorwurf mangelnder Transparenz zu entkräften. Am häufigsten wurde dem Bericht zufolge das Verhandlungsangebot der EU-Kommission zur Lebensmittelsicherheit und dem Tier- und Pflanzenschutz aufgerufen, worunter auch das im Zuge der Verhandlungen oft zitierte Chlorhühnchen fällt. Binnen drei Monaten sei dieser Text 4943 Mal angeklickt worden, also im Schnitt 55 Mal pro Tag.

Das am 10. Februar im Internet veröffentlichte EU-Verhandlungsangebot zu der stark umstrittenen regulatorischen Zusammenarbeit wurde dem Bericht zufolge bis zum 8. April ebenfalls nur knapp 5000 Mal angeklickt. Bei der regulatorischen Zusammenarbeit geht es um die frühzeitige Einbindung der jeweils anderen Seite bei neuen Gesetzen.

Deutlich häufiger als die Verhandlungsdokumente wurde demnach die Überblicksseite zu den TTIP-Verhandlungen angeklickt, auf der neben den Verhandlungstexten auch erläuternde Stücke und Faktensammlungen stünden. Die englischsprachige Seite sei seit Anfang 2015 von immerhin 104.000 Nutzern besucht worden, die deutschsprachige Seite hingegen nur von 5142 Interessenten.

Faymann: "Freier Handel zu fairen Bedingungen"

"Freier Handel ja - aber zu fairen Bedingungen", sagte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) anlässlich des morgigen weltweiten Aktionstages gegen TTIP, CETA und TiSA heute, Freitag, neuerlich seine Position zu den geplanten Abkommen klargestellt.

Gegner des Abkommens wollen am Samstag mit einem internationalen Aktionstag gegen TTIP mobil machen. Weltweit sind inzwischen bereits über 500 Aktionen in 36 Staaten geplant. Allein in Österreich sind in 12 Städten Aktivitäten geplant. Unter anderem große Demos in Wien, Salzburg, Linz und Graz.

"Freihandelsabkommen dürfen nicht auf Kosten kleiner und mittlerer Betriebe und damit auf Kosten der regionalen Qualität von Produkten und auf Kosten der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgeschlossen werden", hält der Bundeskanzler in einer Aussendung fest. Es dürfe zu keiner Aufweichung österreichischer hoher Qualitätsstandards im Bereich Soziales, Lebensmittel und Umwelt kommen. Auch private Schiedsgerichte zwischen entwickelten Rechtsräumen lehnt Faymann ab. Er spricht sich auch dafür aus, dass das geplante Abkommen auch dem österreichischen Parlament zur Ratifizierung vorgelegt wird.

Hintergrund

Seit Juli 2013 verhandelt die EU mit den USA über die "Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft" (TTIP). Mit 800 Millionen Verbrauchern würde der weltgrößte Wirtschaftsraum entstehen. Durch den Wegfall von Zöllen und anderen Handelshemmnissen soll es auf beiden Seiten des Atlantiks mehr Wachstum geben.

Aber: Wirtschaftslobbyisten mussten kürzlich einräumen, dass sie bei ihrer PR für TTIP mit zu positiven Zahlen geworben haben. Täglich werden zwischen Europa und den USA Waren und Dienstleistungen im Wert von zwei Milliarden Euro gehandelt.

Verbraucherschützer sprechen von Geheimverhandlungen zwischen Brüssel und Washington, kritisieren ebenso geplante Schutzklauseln für Konzerne. Die EU will die Gespräche bis Ende 2015 abschließen - damit TTIP endgültig unter Dach und Fach ist, bevor im November 2016 ein neuer US-Präsident gewählt wird.

>> Bericht auf "Frankfurter Allgemeine"

>> TTIP-Verhandlungsdokumente

(APA/AFP)

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