Juncker: „Österreich macht mir keine Sorgen“

(c) Reuters (Dominic Ebenbichler)
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Jean-Claude Juncker warnt vor einer Kündigungswelle im Herbst, erhöhter Arbeitslosigkeit und neuen wirtschaftlichen Problemen. Er kritisiert die Angriffe von Nobelpreisträger Paul Krugman auf Österreich.

Wien. Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker liebt klare Worte und schreckt vor undiplomatischen Formulierungen nicht zurück. So warnte der Vorsitzende der Euro-Gruppe anlässlich seines Besuchs am Freitag in Wien vor einer bevorstehenden europaweiten Kündigungswelle im Herbst, erhöhter Arbeitslosigkeit und neuen wirtschaftlichen Problemen. In diesem Jahr, so seine Prognose, könne es in ganz Europa noch schlimmer kommen. Eine leichte Erholung werde es bestenfalls 2010 geben. „Wenn wir das Problem der ,bad assets‘ (belastete Finanzprodukte, Anm. d. Red.) unter Kontrolle bekommen, werden wir weltweit und in Europa wieder positive Zahlen haben – aber nur bescheidene.“

Als verantwortlicher EU-Politiker für den Euro ist Juncker über andere Länder mehr beunruhigt als über Österreich. Das von Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) angekündigte Defizit von vier Prozent der Wirtschaftsleistung sei „keine große Frage“, sagte Juncker. „Die zeitweise Überschreitung der Drei-Prozent-Defizit-Grenze ist auch vertraglich möglich, um antizyklisch agieren zu können. Ich mache mir da keine Sorgen.“

Die EU-Kommission hat zuletzt mehrere Defizitverfahren (z.B. Frankreich) eingeleitet. Am Freitag hieß es aus Brüssel, dass ein Verfahren gegen Österreich noch nicht auf der Tagesordnung stehe. Es sei aber in Zukunft möglich. Euro-Chef Juncker sieht derzeit andere Länder im Rampenlicht – wie etwa Griechenland, wo sich das Haushaltsproblem bereits vor der Wirtschaftskrise zugespitzt hatte. „Hier hat die EU-Kommission auch zum Unterschied von Frankreich ein sofortiges Agieren eingefordert“, sagte Juncker.

Nach einer Unterredung mit Bundeskanzler Faymann verteidigte Juncker Österreich erstmals öffentlich gegen Angriffe des amerikanischen Wirtschaftsnobelpreisträgers Paul Krugman, der vor einem Bankrott der Alpenrepublik gewarnt hatte. Keineswegs dürfe Österreich in die Reihe mit Ländern gestellt werden, die tatsächlich vom Bankrott bedroht seien. Die Risken der österreichischen Banken in Osteuropa seien durchaus überschaubar, meinte Juncker. Bundeskanzler Faymann wies die Äußerungen Krugmans ebenfalls zurück: „Wir können nicht verhindern, dass jemand so einen Unsinn sagt.“

Beide Politiker warnten angesichts der Krise auch vor einem neuen Sozialabbau. Die Interessen von Sozialdemokraten und Christdemokraten seien hier durchaus dieselben, zeigte sich der Bundeskanzler zufrieden. Divergierende Meinungen gibt es freilich beim Thema Vermögenssteuer. Juncker riet der Regierung in Wien davon ab, mitten in der Krise neue Steuern einzuführen. Zu der nun von Grünen und SPÖ forcierten „Reichensteuer“: „Ich halte nichts davon, jetzt Steuern nach oben zu setzen.“ Gerade in engen regionalen Räumen sei es nicht sinnvoll, wenn einzelne kleinere Länder derart vorpreschen und sich damit auch im Standortwettbewerb selbst Schaden zufügten.

Runter von der grauen Liste

Sowohl mit Faymann als auch mit Vizekanzler und Finanzminister Pröll besprach Juncker das weitere Vorgehen beider Länder gegen die „graue Liste“ der OECD. Sie umfasst Länder, die ihre Gesetze noch nicht ausreichend angepasst haben, um Steuerflucht ausländischer Bankkunden zu verhindern. „Wir werden gegen Steuerbetrug vorgehen und die OECD-Kriterien erfüllen. Und wir werden von der Liste gestrichen werden.“ Die Frage, ob dies auch einen automatischen Informationsaustausch über Bankkonten für jede ausländische Steuerbehörde einschließen werde, beantwortete Luxemburgs Premier mit einem Vergleich. „Im Katechismus der römisch-katholischen Kirche steht zur Frage, ob es einen Gott gibt, auch nur eine Antwort: ,Diese Frage stellt sich nicht‘“.

Am Freitagnachmittag wurde Juncker in Wien der Leopold-Kunschak-Preis für seine Verdienste als „großer Europäer“ verliehen.

LEXIKON

Defizitverfahren. Die EU-Kommission wird aller Voraussicht nach gegen Österreich ebenso wie zuletzt gegen Spanien, Frankreich, Griechenland und Irland ein Defizitverfahren einleiten. Der Zeitpunkt steht noch nicht fest. Sollte Österreich die Drei-Prozent-Grenze des Euro-Stabilitätspakts überschreiten, wird geprüft, wie rasch es seinen Haushalt wieder in Ordnung bringen wird.

Die EU-Kommission kann in Zeiten der Wirtschaftskrise zwar ein Zieldatum zur Budgetsanierung vorgeben, aber keine Strafe verhängen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2009)

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