Schuldenstreit: Varoufakis tritt in den Schatten

Greece´s Finance Minister Yanis Varoufakis
Greece´s Finance Minister Yanis Varoufakis(c) Bloomberg (Kostas Tsironis)
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Griechenlands Finanzminister wird nach internationaler Kritik aus dem Schussfeld der Verhandlungen genommen. Er bleibt aber bis auf Weiteres in der Regierung.

Athen. Schwere Geschütze von allen Seiten: Griechenlands schillernder Finanzminister, Yanis Varoufakis, wurde bei der Euro-Gruppe-Sitzung am vergangenen Freitag in Riga mit Ausdrücken wie „Spieler“ und „Amateur“ persönlich attackiert; er wehrte sich mit einem Spruch des amerikanischen Präsidenten Franklin Roosevelt, den er, zeitgemäß per Twitter, absetzte: Alle seien sich in ihrem Hass auf ihn einig – er aber heiße „ihren Hass willkommen“. Das ist eine höchst bedenkliche Reaktion für einen Politiker, der auch noch in Zukunft mit seinen europäischen Kollegen sprechen sollte. Doch das scheint nach diesem schweren Konflikt nicht mehr möglich zu sein.

Eigentlich hätten sich Griechenland und seine Gläubiger spätestens am vergangenen Freitag auf Reformmaßnahmen und damit auf die Auszahlung der letzten Kredittranche in der Höhe von 7,2 Milliarden Euro einigen sollen. Einigung gab es keine, dafür aber wüste Attacken auf Griechenland. Über einen „Unfall“ des Landes, das heißt einen Zahlungsausfall und in der Folge ein Ausscheiden aus der Eurozone, wird immer lauter spekuliert. Dieses Horrorszenario ließ Ministerpräsident Alexis Tsipras vom Radikalen Linksbündnis (Syriza) am Sonntag Überstunden machen. Er telefonierte mit Deutschlands Kanzlerin, Angela Merkel, mit dem Euro-Gruppe-Vorsitzenden, Jeroen Dijsselbloem, und berief seinen Wirtschaftsstab zu einer Krisensitzung ein.

Das Ergebnis der Sitzung ist eine „Umstrukturierung“ des griechischen Verhandlungsteams mit den Gläubigern. Tsipras stellte sich zwar ausdrücklich hinter Varoufakis, der allen Spekulationen zum Trotz bis auf Weiteres Finanzminister bleibt. Gleichzeitig wird jedoch ein „politisches Verhandlungsteam“ zusammengestellt, das vom Generalsekretär im Finanzministerium, Efkleidis Tsakalotos, koordiniert wird. Wer künftig das Land bei den Euro-Gruppe-Sitzungen vertreten wird, blieb vorerst offen. Außerdem sollen die Kontakte der technischen Teams der ehemaligen Troika, von Athen heute Brüsseler Gruppe genannt, von einem neu bestellten Koordinator gesteuert werden. Klagen über die Verweigerung des Zugangs zu Ministern und zu statistischem Material waren aus Brüssel in letzter Zeit immer lauter geworden. Die technischen Gespräche in Brüssel soll wieder Giorgos Chouliarakis übernehmen, der kein Vertrauensmann von Varoufakis ist. Chouliarakis war schon unter der vorigen Regierung als Fachmann in die Verhandlungen eingebunden. Er hat eine gute Gesprächsbasis mit den Gläubigervertretern.

Vieles deutet also darauf hin, dass sich die Rolle des Wirtschaftsprofessors Varoufakis als „Rammbock“ seiner Regierung dem Ende zuneigt. Durch seine internationalen Medienauftritte vermittelte er die griechischen Standpunkte höchst effektiv. Verhandlungserfolge konnte er in der Folge jedoch nicht vorweisen. Das sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Varoufakis sich stets an die Vorgaben seines Regierungschefs gehalten hatte, wie ihm am Sonntag neuerlich bestätigt wurde. Varoufakis habe sich „immer im Rahmen der kollektiven Entscheidungen und der Führungsorgane der Regierung bewegt“, hieß es in einer Presseaussendung.

Verzögerung bis Mitte Mai

Die griechische Regierung könnte einen Erfolg dringend gebrauchen. Knapp drei Monate nach dem Wahlsieg zeigt sich, dass die Regierungskoalition aus Syriza und den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen weit davon entfernt ist, das Land zu stabilisieren. Unter den EU-Regierungen wird mehr oder weniger offen über einen PlanB für das Land diskutiert. Denn mit einer raschen Einigung rechnet derzeit niemand mehr. Die deutsche Regierung geht beispielsweise davon aus, dass bis zum nächsten Treffen der EU-Finanzminister, am 11.Mai, kein Durchbruch erzielt werden kann.

Eine entscheidende Rolle wird in den nächsten Wochen die Europäische Zentralbank (EZB) spielen. Von ihr wird es abhängen, ob sie die griechischen Banken weiterhin mit Geld versorgt. „Wenn das nicht läuft, ist das Bankensystem nicht mehr funktionsfähig“, so der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther. Die Spannungen der letzten Monate haben bereits zu einem massiven Abfluss an Geldmitteln aus griechischen Geldhäusern geführt. Zuletzt war die EZB immer wieder mit Nothilfen eingesprungen.

Dass es knapp wird, bestätigt die jüngste Konjunkturprognose der EU-Kommission. Sie wurde laut dem zuständigen EU-Kommissar, Valdis Dombrovskis, für Griechenland nach unten korrigiert. Grund ist das nach wie vor nicht ausverhandelte Reformprogramm.

AUF EINEN BLICK

Neue Verhandler. Die griechische Regierung hat das Verhandlungsteam mit den Gläubigerinstitutionen umstrukturiert. Erfahrene Fachleute sollen dem stets ideologisch auftretenden Finanzminister, Yanis Varoufakis, zur Seite gestellt werden. Die Europartner rechnen dennoch mit einer weiteren Verzögerung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2015)

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