Onlinehandel: EU sagt US-Dominanz den Kampf an

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Die EU-Kommission will innereuropäischen Onlinehandel fördern, ihre Reformvorschläge sind aber noch wolkig. Ungemach droht indes den US-Internetriesen.

Brüssel. Der Mittwoch gilt in der EU-Kommission mittlerweile als Jour fixe von Margrethe Vestager – und der gestrige Tag war da keine Ausnahme. Denn die Präsentation der digitalen Strategie der EU wurde von der Ankündigung der für Kartellrecht zuständigen Kommissarin flankiert, ihre Behörde werde Amazon und Co. unter die Lupe nehmen und prüfen, ob es im europäischen Onlinehandel mit (wettbewerbs-)rechten Dingen zugehe. Nach der Einleitung von Verfahren gegen Google und Gazprom ist dies Vestagers dritter Streich innerhalb von vier Wochen.

Dass die Wettbewerbskommissarin ausgerechnet gestern den Startschuss für die Untersuchungen gegeben hat, ist wohl kein Zufall – denn zur selben Zeit traten Kommissionsvizepräsident Andrus Ansip sowie Digital-Kommissar Günther Oettinger vor die Mikrofone, um insgesamt 16 Initiativen zur Verwirklichung eines innereuropäischen digitalen Binnenmarkts vorzustellen. Und einer ihrer drei Schwerpunkte (oder „Säulen“, wie es im EU-Jargon heißt) betrifft „Online-Plattformen“. Gemeint sind Suchmaschinen, soziale Netzwerke, Handelsplätze im Internet – also all jene (vor allem US-amerikanische) Unternehmen, die vom Aggregieren und Verarbeiten der Kundendaten leben. Ansip und Oettinger wollen deren Einfluss auf den EU-Markt untersuchen und mögliche Verwerfungen (etwa punkto Preispolitik und Transparenz) aufdecken.

Für Ansip steht jedenfalls fest, dass „der Binnenmarkt nicht funktioniert, wie er sollte“. Inwieweit sein Vorstoß zur Verbesserung der Lage beitragen kann, ist offen – denn noch ist nicht klar, welche rechtlichen Konsequenzen diese EU-Enquete haben könnte. Klassischer Marktmissbrauch fällt jedenfalls unter Vestagers Zuständigkeit.

Das Beispiel Online-Plattformen ist symptomatisch. Die digitale Agenda der Kommission ist nämlich mehr als Willensbekundung, denn als konkreter Aktionsplan zu verstehen – weil der Rat der EU-Regierungen ein gewichtiges Wort mitzureden hat. So sollen etwa die Vorschläge zur Anpassung des Copyrights an das digitale Zeitalter erst bis Jahresende vorliegen. Die allgemein gehaltene Tonlage hängt auch damit zusammen, dass die für Ende 2015 anvisierte Novellierung des EU-Datenschutzes Grundvoraussetzung für viele digitale Reformen ist.

Die Tücken des Geoblockings

Zudem steckt oft noch der Teufel im Detail, was sich beispielsweise beim Geoblocking zeigt – also der Reglementierung des Zugriffs auf digitalen Content (etwa Filme) auf Basis der Staatsgrenzen. Ansip, der diese Praxis nach eigenen Worten „hassenswert“ findet, will „ungerechtfertigtes“ Geoblocking verbieten. Der zahlende Kunde eines Online-Filmkanals soll also in Hinkunft aus jedem EU-Land auf sein Abonnement zugreifen können – eine Änderung, die allerdings nicht das öffentlich-rechtliche Angebot umfassen dürfte. Ein Deutscher, der in Frankreich Urlaub macht, wird also weiterhin keinen Zugriff auf ARD-Sendungen haben – weil der Sender mit Steuergeld finanziert wird und folglich nicht abonniert werden kann. Der Grund für diese Einschränkungen: Derzeit werden Ausstrahlungsrechte nach Ländern vergeben – und die wenigsten Sender erwerben Lizenzen für alle EU-Mitglieder. Die grüne Europaabgeordnete Julia Reda, die im Rechtsausschuss des EU-Parlaments an der Reform des Urheberrechts arbeitet, möchte den Verkauf von Lizenzen nach Sprachen staffeln – was ihrer Ansicht nach nur für große englischsprachige Anbieter wie die englische Premier League weniger Lizenzgebühren bedeuten würde. Im Rest der EU ortet sie hingegen wenig bis gar keine Probleme – auch nicht zwischen Österreich und Deutschland: „Es ist nicht nötig, die Ausstrahlung österreichischer Fußballspiele in Deutschland mittels Geoblocking zu verhindern, um zu gewährleisten, dass sich kein Deutscher österreichischen Fußball anschaut.“

Weitere Punkte auf der Agenda der EU-Kommission: Erleichterung des grenzüberschreitenden Onlinehandels, günstigere Paketzustellung, eine Revision der Mehrwertsteuer-Regeln, effizientere Nutzung der Breitband-Funkfrequenzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2015)

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