Ceta: Kanadas Botschafter "über Österreich verblüfft"

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Kanadas Botschafter in Österreich, Mark Bailey, versteht die Kritik von Bundeskanzler Werner Faymann am Freihandelsabkommen Ceta nicht. Und er versichert, dass es keine Angleichung der Lebensmittelstandards geben werde.

Die Presse: Herr Botschafter, berichten Sie Ihrer Regierung eigentlich von der kritischen Stimmung in Österreich zum Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada – zu TTIP und Ceta?

Mark Bailey: Ja, sehr oft.

Und verstehen Sie diese Skepsis?

Wir sind ein wenig irritiert. Wenn wir die österreichische Situation betrachten und die Performance der Wirtschaft, sehen wir doch, dass dieses Land enorm von liberalisierten Märkten profitiert hat. Natürlich profitierte es vor allem innerhalb der Europäischen Union, aber auch durch die wachsenden Beziehungen der EU zu anderen Wirtschaftsnationen. Ich habe Kontakt zu vielen österreichischen Unternehmen, die sich für einen Ausbau ihrer internationalen Kooperationen interessieren. Und auch da sehe ich, dass Österreich immens durch die Globalisierung gewonnen hat. Wenn nun Menschen ein Mehr von diesem Erfolg in Frage stellen, bin ich verblüfft. Ich schätze, dass das keine wirtschaftlichen, sondern eher emotionale Gründe hat, die mit anderen politischen Themen zusammenhängen.

Bundeskanzler Faymann hat in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ angekündigt, dass er für eine Neuverhandlung des Freihandelsabkommens mit Kanada eintritt. Und zwar wegen des darin enthaltenen Investorenschutzes. Sehen Sie eine Möglichkeit, dass das Abkommen noch geändert wird?

Er muss natürlich zuerst seine Partner in der Europäischen Union davon überzeugen. Wie ich aus anderen Mitgliedstaaten weiß, ist das eine ziemliche Herausforderung. Denn die meisten wollen diese Neuverhandlung nicht. Die kanadische Regierung geht davon aus, dass wir hier einen exzellenten Vertrag vereinbart haben. Es ist ein äußerst ausbalanciertes Abkommen, das Vorteile und Konzessionen für und von beiden Seiten enthält. Wenn wir da einen Teil herausnehmen, könnte die Balance kippen.

Hat Kanada selbst Vorbehalte zur Einrichtung von privaten Schiedsgerichten, um Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Staaten zu lösen?

Natürlich haben wir das auch diskutiert. Wir sind zum Schluss gekommen, dass sie eine Notwendigkeit für ein modernes Handels- und Investitionsabkommen sind. Wir haben lange Erfahrungen in der Nafta mit diesen Einrichtungen. Ja, auch die kanadische Regierung hat bei solchen Schiedsgerichten bereits verloren und musste Zahlungen an ausländische Investoren leisten. Wir zahlen hochgerechnet jährlich etwa eine Million Dollar an Schadenersatz. Andererseits haben wir seit dem Nafta-Abschluss bisher 400 Milliarden Dollar an ausländischen Investitionen in Kanada rekrutieren können – die meisten aus den USA, und es wird weiter investiert. Es ist also insgesamt ein Gewinn. Letztlich geht es darum, dass Unternehmen, die in unserem Land investieren wollen, die Garantie erhalten, dass sie fair behandelt werden.

Die Angst vor solchen Schiedsgerichten ist allerdings weniger mit möglichen Kosten als mit der Frage verbunden, ob durch sie die staatliche Rechtssetzung unterwandert werden kann. Was, wenn staatlicher Handel auf diese Weise von Konzernen diktiert wird?

Bei einigen der älteren Investitionsabkommen bestand möglicherweise wirklich diese Gefahr. Den europäischen und kanadischen Verhandlern bei Ceta war das aber bewusst. Sie haben deshalb Schutzmaßnahmen vorgesehen, damit Regierungen weiterhin voll und ganz im Interesse ihrer Bürger entscheiden können – etwa bei Sicherheit, Gesundheit oder Umwelt.

Zu einem anderen Kritikpunkt: Muss Österreich damit rechnen, dass seine hohen Standards etwa in der Lebensmittelsicherheit aufgelöst werden?

Diese Gefahr besteht überhaupt nicht. Kanada hat nie gefordert, dass es eine Angleichung dieser Standards in der Europäischen Union oder in den Mitgliedstaaten geben muss. Uns war sehr wohl bewusst, dass wir hier keine Chance gehabt hätten. Kanada wird etwa beim Rindfleisch eine eigene Produktionslinie ohne Hormonbehandlung speziell für den Export in die EU einrichten. Aus Kanada kommen auch ganz sicher keine chlorbehandelten Hühner in die Europäische Union.

Hatten Sie bisher eine Chance, Bundeskanzler Werner Faymann Ihre Argumente vorzubringen?

Leider nein.

Wenn Sie einen österreichischen Arbeitnehmer vom Freihandelsabkommen mit Kanada überzeugen müssten, was würden Sie ihm sagen?

Der Vorteil für einen normalen österreichischen Arbeitnehmer ist, dass sein Unternehmen von diesem Abkommen profitieren kann. Natürlich nur, wenn es international agiert. Dann aber hätte dieses Unternehmen einen erleichterten Zugang zum kanadischen Markt. Das heißt, sein Job wäre besser abgesichert, und es würden neue Arbeitsplätze geschaffen. Österreichische Agrarbetriebe können endlich gleichberechtigt nach Kanada liefern. 98 Prozent der Zölle werden verschwinden. Das bedeutet 473 Millionen Dollar pro Jahr, die sich europäische Unternehmen ersparen.

Und was wären die Vorteile für Kanada?

Wir haben durch Ceta in vielen Sektoren größere Chancen – etwa bei Fisch-Exporten, aber auch im Automobilsektor. Die EU ist nach den USA unser zweitwichtigster Handelspartner.

ZUR PERSON

Mark Bailey ist ein erfahrener kanadischer Diplomat. Er studierte Politikwissenschaften an der Universität Victoria, bevor er in das Außenministerium eintrat. Er vertrat sein Land bei der OECD und beschäftigte sich dabei auch mit internationalen Handelsbeziehungen. Weitere Schwerpunkte seiner Arbeit lagen im arabischen Raum und im Nahen Osten. Er arbeitete in Rabat, Abidjan, Jeddah, Genf und Washington. Später war er Botschafter seines Landes in Syrien, in der Türkei, in Aserbaidschan, Georgien und Turkmenistan. Seit 2013 ist er Botschafter in Österreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2015)

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