EU-Asylpolitik: "Die harte Hand gehört dazu"

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Manfred Weber, Fraktionschef der EVP im Europaparlament, will Syrern helfen und Arbeitsmigranten draußen halten. Statt "die Türen zu öffnen", müsse sich Europa um eigene arbeitslose Jugendliche kümmern.

Die Presse: Immer mehr EU-Mitgliedstaaten sprechen sich gegen die Einführung eines Quotensystems für die Unterbringung von Flüchtlingen aus. Ist der Plan zum Scheitern verurteilt?

Manfred Weber: Keineswegs. Ich erwarte jetzt einen starken legislativen Vorschlag der Kommission (sie will ihren Entwurf Ende Mai präsentieren, Anm. d. Red.). Dann werden wir uns an den Verhandlungstisch setzen und entscheiden. Und zwar nach dem im Rat gültigen Mehrheitsprinzip. Die Flüchtlingsfrage lässt sich nicht national, sondern nur europäisch beantworten. Die Diskussion dazu beginnt jetzt, und wir müssen sie führen. Für die EVP-Fraktion im Europäischen Parlament ist klar: Wir brauchen Solidaritätsmechanismen.

Sie sprechen einerseits von Solidarität und weisen andererseits darauf hin, dass im Rat die Entscheidung nicht einstimmig gefällt werden muss. Ist das nicht ein Widerspruch?

Einstimmigkeit im Rat bedeutet Blockade durch Einzelinteressen. Das erleben wir derzeit etwa in der Causa Russland – der griechische Premier Alexis Tsipras hätte theoretisch die Möglichkeit, die europäische Außenpolitik gegenüber Moskau zu blockieren. Nationale oder parteipolitische Egoismen bringen uns nicht weiter. Die EU-Bürger verstehen das mittlerweile. Die Flüchtlingstragödie im Mittelmeer berührt sie. Ich bin überzeugt, dass die Menschen in Europa nicht mehr wegschauen wollen und bereit sind, zu helfen. Nun müssen sich auch die nationalen Regierungen bereit erklären, über vernünftige Lösungen zu reden.

Muss die Flüchtlingsquote unbedingt Teil der Lösung sein?

Wer die Augen nicht vor den Fakten verschließt, muss feststellen, dass wir nicht vor einer kurzfristigen Notsituation stehen. Derzeit sind weltweit über 50 Millionen Menschen auf der Flucht, so viele wie nie zuvor. Das ist eine generelle Herausforderung für Europa. Mit Klein-Klein kommen wir nicht weiter, wir brauchen Ambitionen. Zum Gesamtpaket gehört notwendigerweise auch die harte Hand dazu. So wurden in Europa 2014 zwei Drittel der Flüchtlinge abgewiesen. Wir müssen klarstellen, dass Menschen, die keinen Asylgrund haben, Europa auch wieder verlassen müssen. Wenn wir das nicht gewährleisten können, dann habe ich die Sorge, dass langfristig das Vertrauen der Menschen in das Asylsystem generell nachlässt. Mit den wirklich Verfolgten müssen wir solidarisch sein, und auch über risikofreie Zugänge nachdenken – etwa für Menschen aus Syrien. Andererseits muss das Recht umgesetzt und müssen jene abgeschoben werden, die keinen Asylgrund haben.

Wäre es nicht notwendig, in diesem Spannungsfeld zwischen Solidarität und Härte auch Platz für leistungsbereite Migranten zu finden, die zum europäischen Wohlstand beitragen wollen?

Die EVP ist für diese Debatte offen. Wir glauben, dass es im beschränkten Umfang durchaus Bedarf gibt für hoch qualifizierte Zuwanderer. Wenn wir einen fairen Blick auf die Lage in Europa werfen, dann möchte ich schon daran erinnern, dass ein Fünftel der Jugend auf diesem Kontinent keinen Arbeitsplatz hat. Wer angesichts dieser Tatsache dafür eintritt, die Türen zu öffnen, geht einen gefährlichen Weg. Das ist mit der EVP nicht zu machen. Unsere erste Pflicht ist es, die Arbeitsmärkte so zu organisieren, dass wir die Binnenwanderung in Europa optimieren. Wir müssen zuerst der italienischen, griechischen und spanischen Jugend eine Zukunft geben, bevor wir über andere Optionen reden.

Wenn Sie von einem gefährlichen Weg sprechen: Meinen Sie damit, dass man sich davor hüten muss, Populisten in die Hände zu spielen?

Es ist sowohl in Europa als auch in Afrika illusionär zu glauben, dass legale Zuwanderung eine Lösung ist. Wir wollen die legale Zuwanderung bei den Hochqualifizierten, aber nicht in der breiten Masse. Im Mittelpunkt muss die Zukunft der europäischen Jugend stehen.

Großbritannien hat angekündigt, keine Flüchtlinge aufzunehmen. Haben Quoten eine Erfolgsaussicht, wenn sich ein großes EU-Mitglied vorneweg ausklinkt?

Ich finde es schade, dass sich Großbritannien so verhält. Immerhin hat sich London bereit erklärt, mitzuhelfen, um das Sterben im Mittelmeer zu beenden. Das ist ein positiver Schritt. Die Rechtslage ist klar, die Briten haben eine Opt-out-Klausel. Deswegen bleibt es nur beim Appell, Solidarität zu leisten. Zumindest könnte man London dazu einladen, beim Resettlement, also bei der Unterbringung der Flüchtlinge vom UNO-Hilfswerk, mitzumachen. Ich ersuche die britische Regierung, sich der Debatte nicht zu verweigern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2015)

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