EU will Steuerbasis zementieren

(c) EPA (MATTHEW CAVANAUGH)
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Der Plan eines Mindestsatzes bei der Unternehmensbesteuerung resultiert aus den Enthüllungen über unfaire Steuerpraktiken in Luxemburg. Berlin und Paris wollen Kurswechsel.

Brüssel. Gemäß EU-Verträgen zählt Steuerpolitik zu den Kompetenzen der Mitgliedstaaten – jedenfalls bis dato, denn wenn man einem Bericht des deutschen „Handelsblatt“ Glauben schenken will, plant die EU-Kommission einen Paradigmenwechsel. Am 17.Juni wird die Brüsseler Behörde aller Voraussicht nach ihren Plan einer Reform der Unternehmensbesteuerung in der Union präsentieren. Und geht es nach dem Willen von Berlin und Paris, soll dieser Plan auch einen verbindlichen Mindeststeuersatz enthalten. „Deutschland und Frankreich verlangen einen Mindestschwellenwert. Darauf reagieren wir“, zitiert das „Handelsblatt“ in seiner Dienstag-Ausgabe einen nicht namentlich genannten Kommissionsbeamten. Bis dato hatte man in Brüssel lediglich darüber nachgedacht, eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer zu fixieren.

Dass die Kommission offenbar weiter gehen will, ist einerseits überraschend, andererseits aber unumgänglich. Überraschend deshalb, weil ihr Präsident, Jean-Claude Juncker, aus einem Land stammt, dass die Steueroptimierung zu einer Kunstform erhoben hat: Luxemburg. Unumgänglich ist der Schritt, weil im Vorjahr im Zuge der sogenannten LuxLeaks-Affäre bekannt wurde, dass Luxemburg internationalen Großkonzernen horrende Steuernachlässe gewährt hat – das Nachsehen hatten dabei jene EU-Mitglieder, in denen die Unternehmen jene Gewinne erwirtschaftet haben, die nach Luxemburg transferiert wurden. Der Name des Luxemburger Regierungschefs, unter dessen Ägide in den 1990er-Jahren diese Praxis perfektioniert wurde, lautet – Jean-Claude Juncker.

Prüfer im Steuerparadies

Mittlerweile prüft die Brüsseler Behörde, ob in den europäischen Steuerparadiesen alles mit rechten Dingen zugeht. In Luxemburg untersuchen EU-Wettbewerbshüter den Onlinehändler Amazon und die Finanztochter des Autoherstellers Fiat, in den Niederlanden werden die Geschäftsbücher des Kaffeesieders Starbucks durchleuchtet, in Irland die Steuerbescheide des US-Riesen Apple. Im Kern geht es darum, ob den Unternehmen seitens der Steuerbehörden vorab Sonderkonditionen (sogenannte Tax Rulings) angeboten wurden, die weit unter dem offiziellen Körperschaftsteuersatz (in den Niederlanden beträgt er 25, in Luxemburg gar 29 Prozent) gelegen haben. Parallel zu diesen Einzelfällen prüft ein Sonderausschuss des Europaparlaments die generelle Praxis der steuerlichen Lockangebote in der Union. Neben den drei bereits erwähnten EU-Mitgliedern ist den Abgeordneten bis dato auch Belgien negativ aufgefallen.

Ob das Vorhaben Aussicht auf Erfolg haben kann, muss sich noch weisen. Klar ist jedenfalls, dass es im Rat Gegner haben wird – neben jenen Ländern, die vom Status quo profitieren, dürfte wohl auch Großbritannien Einwände haben. Gegen eine Harmonisierung gibt es aber auch einen pragmatischen Einwand: Das Steuersystem eines Landes spiegelt im Idealfall seine Struktur wider. Soll heißen: Für ein EU-Mitglied, das wirtschaftlich aufholen will, hat es durchaus Sinn, die Steuerlast für Unternehmen möglichst gering zu halten, um die Gründung und Ansiedelung von Firmen zu begünstigen.

Gefahr für Standortwettbewerb

Dass Irland vom einstigen Armenhaus Nordwesteuropas zum keltischen Tiger aufgestiegen ist, hat es nicht zuletzt seinem attraktiven Steuersatz zu verdanken. Aus der Perspektive des entwickelten Westeuropas mögen verbindliche Mindeststeuersätze zwar logisch erscheinen. Es besteht allerdings die Gefahr, dass diese Initiative in den neuen EU-Mitgliedstaaten als Versuch interpretiert wird, die Attraktivität des Unternehmensstandorts Osteuropa zu unterminieren – auf dass möglichst viele Arbeitsplätze im Westen verbleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2015)

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