Griechenland: Tsipras steht vor der Entscheidung

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Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras kann nicht länger auf Zeit spielen. Will er Zugeständnisse an Europartner durchsetzen, muss er radikale Kräfte kaltstellen.

Athen. Vier Monate ist Griechenlands Ministerpräsident, Alexis Tsipras vom radikalen Linksbündnis Syriza, an der Macht. Nun aber muss er Farbe bekennen: Tsipras ist aufgerufen, eine Entscheidung über Griechenlands Zukunft zu fällen.

Im Juni wird Griechenland, das die Vertragsbedingungen über die Vergabe von Hilfskrediten ändern wollte und daher bisher keine Kredittranchen mehr erhalten hat, wohl endgültig zahlungsunfähig sein. Das zumindest haben führende griechische Minister in den vergangenen Tagen und Wochen erklärt. Tsipras muss daher entweder sein ideologisches Glaubensbekenntnis über Bord werfen und einem großen Teil der Gläubigerforderungen nachkommen oder einen Bruch mit den Europartnern samt der damit verbundenen Folgen riskieren.

Die glücklichen Zeiten als Oppositionspolitiker, in denen er es allen recht machen konnte, sind also vorbei. Der Ton, der ihm aus den anderen europäischen Hauptstädten entgegenhallt, ist rau geworden; noch mehr dürfte ihm allerdings die zunehmende innenpolitische Kritik zu schaffen machen. Da ist einerseits die konservative Oppositionspartei der Nea Dimokratia, die angesichts der Liquiditätsengpässe bereits ab Anfang kommender Woche mit Beschränkungen im Kapitaltransfer durch die griechischen Banken rechnet. Sie fordert eine sofortige Einigung mit den Gläubigern, um „eine Katastrophe“ abzuwenden.

Andererseits kämpft Tsipras mit den Radikalpositionen der innerparteilichen Opposition. Am vergangenen Wochenende, bei der Sitzung des Zentralkomitees von Syriza, kam es zu einem Kräftemessen, das mit einer knappen Mehrheit für die Gemäßigten ausging. Sie fixierten Mindestanforderungen an eine Einigung mit den Europartnern – darunter die Ablehnung weiterer Pensions- und Gehaltskürzungen. Die Radikalen hatten einen völligen Stopp von Privatisierungen sowie eine Volksabstimmung zum Verhandlungsmandat gefordert.

Das Problem von Tsipras ist jedoch weniger das Zentralkomitee als vielmehr der Zusammenhalt der Parlamentsfraktion. Mit 162 von 300 Stimmen (inklusive 13 des rechtspopulistischen Koalitionspartners Anel) ist die Mehrheit knapp, es ist offen, wie die Parteilinke über ein Einlenken gegenüber den Geldgebern abstimmen würde. Die linke Plattform ist in Partei und Regierung gut integriert und könnte sich vielleicht dem Willen der Mehrheit fügen. Unberechenbarer sind Radikale wie die Parlamentspräsidentin, Zoi Konstantinopoulou, deren Abstimmungsverhalten völlig offen ist.

Die Nagelprobe des Ministerpräsidenten steht kurz bevor. Er muss seine Entscheidung treffen. Fällt sie für Europa aus, dann muss er in Kauf nehmen, dass er zu ihrer Durchsetzung innerparteiliche Kritiker kaltstellen muss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2015)

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