Camerons liebe Not mit Polen

Not amused: Briten-Premier David Cameron
Not amused: Briten-Premier David CameronREUTERS
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Großbritanniens Premier erhielt für seine Pläne, die Freizügigkeit einzuschränken, auch in Warschau eine Abfuhr.

„Flexibel und einfallsreich“ – so wünscht sich David Cameron seine europäischen Partner, wenn es um die Neuverhandlung des Verhältnisses zwischen Großbritannien und der EU geht. Auf seiner Werbetour durch ausgesuchte Hauptstädte der Union machte der britische Regierungschef am gestrigen Freitag in Warschau halt, wo er mit seiner Kollegin Ewa Kopacz parlierte – nach Auskunft des polnischen Europaministers Rafal Trzaskowski war es ein „gutes Gespräch“, wohl aber nicht gänzlich frei von Reibungen.

In Polen hätte Großbritannien – zumindest theoretisch – einen guten Verbündeten im Ringen um Reformen in der EU gefunden: Beide Länder schätzen offene Märkte, freien Handel und nationale Selbstbestimmung. Doch genau am Beispiel Polens werden die Probleme offensichtlich, die Cameron bei seinem Vorhaben plagen dürften. Denn während die polnische Regierung dem britischen Wunsch nach Liberalisierung des EU-Dienstleistungssektors und mehr Mitspracherecht für die nationalen Parlamente uneingeschränkt zustimmen dürfte, wird sie dem Briten ihre Zustimmung in einem besonders heiklen Punkt wohl verweigern: bei der Schlechterstellung der Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland. Eine knappe Million Polen arbeitet derzeit in Großbritannien – der Zufluss osteuropäischer Arbeitnehmer nach der EU-Erweiterung 2004 hat die britische Gesellschaft an den Rand der Überforderung gebracht und der offen europafeindlichen United Kingdom Independence Party (Ukip) regen Zulauf beschert.

Mit dem Plan, Sozialleistungen für EU-Ausländer zu reglementieren, will Cameron die Initiative an sich reißen und die Zuwanderung unterbinden. Das Problem ist nur, dass Großbritannien nicht wegen seiner Sozialleistungen so populär ist, sondern wegen der robusten Wirtschaft, die Polen und Balten, aber auch Spaniern und Griechen Arbeitsplätze bietet. Dass sich die Zahl der EU-Ausländer mittels Reduktion der Sozialleistungen reduzieren lässt, dürfte sich als Illusion erweisen. Camerons ursprünglichem Plan, der Abschaffung der Personenfreizügigkeit innerhalb der EU, haben seine Kollegen bereits eine Absage erteilt. Auch was die Sozialleistungen anbelangt, dürfte es Widerstand geben. Kopacz betonte gestern bei ihrem Gespräch mit Cameron, dass Polen „jede Diskriminierung“ seiner Bürger ablehne.

Cameron reiste noch am Freitag nach Berlin weiter, um Bundeskanzlerin Angela Merkel zu überzeugen. (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2015)

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