Tory-Hardliner bringen Cameron bereits ins Schwitzen

British Prime Minister Cameron holds a news conference during the G7 summit at Elmau Castle hotel in Kruen
British Prime Minister Cameron holds a news conference during the G7 summit at Elmau Castle hotel in Kruen(c) REUTERS (CHRISTIAN HARTMANN)
  • Drucken

Der britische Premier will einen konstruktiven Kurs in der EU-Politik. Doch einige Parteimitglieder wollen nur den Austritt.

London. Der Honeymoon des britischen Premierministers David Cameron nach seinem überraschenden Wahlsieg im Mai währte nur kurz. Die zweite Lesung des Gesetzesentwurfs über die Abhaltung einer EU-Volksabstimmung gestern, Dienstag, im Unterhaus hätte eine reine Formsache sein sollen. „Wir geben den Menschen das Sagen“, erklärte Außenminister Philip Hammond zum Auftakt der Debatte unter Applaus.

Wegen der absoluten Mehrheit der Konservativen und des Kurswechsels der oppositionellen Labour Party für ein Referendum standen die Annahme des Entwurfs und die Weiterleitung an einen Ausschuss außer Zweifel. Strittig war allein ein Antrag der schottischen Nationalisten, das Teilnahmealter auf 16 Jahre zu senken. Trotz der scheinbar klaren Ausgangsposition zeigte sich zuletzt aber, dass Cameron mit seiner EU-Politik einen Drahtseilakt ohne Netz vollführt. Nachdem sich am Wochenende rund 50 der 313 Tory-Abgeordneten zu der Gruppe Conservatives for Britain zusammengeschlossen hatten, reagierte der Premier am Rande des G7-Gipfels scharf: Er erwarte „Einigkeit und Geschlossenheit“, Regierungsmitglieder, die seinen EU-Kurs nicht mittragen, würde er nicht dulden.

Während EU-Anhänger in London frohlockten, der Regierungschef habe endlich ein Machtwort gesprochen, wurden die Worte in der Partei gar nicht gut aufgenommen. Nachdem sich sogar der mächtige Schatzkanzler George Osborne verärgert zeigte, ruderte Cameron mit sichtlichem Unbehagen öffentlich zurück. Mindestens drei Minister gelten als offene EU-Gegner. Sie verlangen ein freies Votum im Kabinett. Cameron knickte ein. Er sei „missverstanden“ worden und habe lediglich Geschlossenheit für den Verhandlungsprozess verlangt.

Auf diesem Weg will er beim EU-Gipfel Ende Juni den europäischen Partnern seine Wunschliste vorlegen. Dabei zeigte sich zuletzt vor allem im Wechselspiel zwischen London und Berlin ein klarer Wille nach Verständigung. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, sagte Kanzlerin Angela Merkel, und der britische Premier meinte zuletzt: „Die Vereinbarung muss rechtlich bindend sein und einen klaren Weg zeigen.“ Forderungen aus den eigenen Reihen nach einem britischen Veto über alle EU-Materien wies Außenminister Hammond als „nicht verhandelbar“ zurück.

Nach Umfragen liegen die britischen EU-Befürworter derzeit mit 58:31 Prozent klar in Front. Cameron will dieses Momentum offenbar nützen. Gerüchten zufolge könnte die Volksabstimmung bereits am 5. Mai 2016 stattfinden: „Ich führe Verhandlungen im nationalen Interesse und ich bin zuversichtlich, dass ich ein Ergebnis im nationalen Interesse erzielen kann“, sagte er.

Was Cameron aber in seinem Augenblick der Stärke („Momentan wandelt er auf Wasser. Aber nicht lang“, so ein Hinterbänkler) zu übersehen droht: Seine Mehrheit ist hauchdünn, und nicht für alle Tories ist das ein Appell zur Disziplin. Manche sind nur in der Partei, um ihr Land aus der EU zu führen. Und der letzte Konservative, der (ebenfalls völlig unerwartet) eine absolute Mehrheit gewann, war John Major: Nichts aber beschleunigte seinen Fall mehr als Ankündigungen (meist zu Europa), die ohne Folgen blieben. [ Bloomberg ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.