Griechische Zentralbank warnt vor EU-Austritt

(c) REUTERS (YANNIS BEHRAKIS)
  • Drucken

Die Ökonomen der griechischen Notenbank warnen vor schwerwiegenden Folgen nach einem Scheitern der Verhandlungen.

Athen/Wien. Der Druck auf die griechische Regierung, ihre harte Verhandlungslinie aufzugeben, steigt. Einen Tag vor der heutigen Sitzung der Euro-Finanzminister in Luxemburg meldete sich die griechische Notenbank zu Wort und warnte Regierungschef Alexis Tsipras eindringlich vor dem Scheitern der Gespräche mit den Kreditgebern über die Bedingungen zur Auszahlung von 7,2 Milliarden Euro aus dem laufenden Hilfsprogramm. Ohne Einigung gerate das Land auf einen „schmerzhaften Weg, der zu einem Bankrott und schließlich zum Ausscheiden des Landes aus der Eurozone und höchstwahrscheinlich auch aus der EU führen würde“.

Ähnlich dramatisch ist die Einschätzung des Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Er wies darauf hin, dass alle Seiten durch einen Grexit verlieren würden – die Geldgeber wie die griechische Regierung. Aber er warnte auch vor den weltweiten Folgen. „Was, wenn es zu Ansteckungseffekten kommt?“ Schließlich habe auch Italien „riesige Probleme“. Fratzscher erinnerte an die Erfahrungen mit dem US-Geldinstitut Lehman Brothers. „Diese Bank ließ man 2008 pleitegehen nach der Devise, das können wir schon verkraften, doch der Schaden war weltweit spürbar.“ Der US-Ökonom Dennis Snower warnt vor unabsehbaren Folgen. Wenn ein Grexit nicht durch Europa abgefedert würde, „droht Griechenland zu einem politisch und ökonomisch instabilen Staat zu werden“. Davon gingen dann auch Gefahren für die wirtschaftliche und politische Stabilität des übrigen Europa aus.

In einem Telefonat versuchte US-Finanzminister Jack Lew, den griechischen Regierungschef Tsipras zu mehr Pragmatismus in den Verhandlungen zu drängen. Ein Scheitern hätte laut Lew schwerwiegende Folgen für das Land selbst, aber auch für die Weltwirtschaft. Ein griechischer Regierungssprecher erklärte, Tsipras habe Lew zugesagt, eine Lösung anzustreben. Die USA dürften auch über die zunehmenden Spannungen zwischen dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und Athen beunruhigt sein. Tsipras hatte dem IWF diese Woche „kriminelle Verantwortung“ für die Krise zugeschrieben. Aus IWF-Kreisen war zuletzt zu hören, dass ein Ausstieg aus dem griechischen Rettungsprogramm überlegt werde.
Einige EU-Regierungen bereiten sich indessen bereits auf ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone vor. „Angesichts des Gesprächsverlaufs können Sie erwarten, dass wir sicherstellen, dass die richtigen Pläne bereitliegen und dass wir die Vorbereitungen beschleunigen“, sagte eine Sprecherin des britischen Premierministers David Cameron am Mittwoch. Ähnlich äußerte sich der slowakische Finanzminister Peter Kazimir. Sein Land bereite sich auf eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands vor.

Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem schraubte indessen die Erwartungen an das Treffen der Euro-Finanzminister am heutigen Donnerstag in Luxemburg herunter. Auch Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble rechnet nicht mit Beschlüssen. Sowohl Dijsselbloem als auch Schäuble sehen Griechenland am Zug.

Indessen werden immer mehr Details über die aktuelle finanzielle und wirtschaftliche Lage Griechenlands bekannt. Die Steuereinnahmen sollen nach übereinstimmenden Berichten in den ersten fünf Monaten des Jahres rund 1,7 Milliarden Euro hinter den Erwartungen zurückliegen. Grund dafür ist die unsichere wirtschaftliche Lage, in der kaum noch investiert wird. Viele Bürger sind ihrem Staat Steuern schuldig geblieben. Zudem sind die Mehrwertsteuereinnahmen dramatisch gesunken. Heikel ist die Lage für staatliche Unternehmen wie die Elektrizitätsgesellschaft DEI. Ihre Kunden schulden dem Unternehmen mittlerweile fast zwei Milliarden Euro, weil sie ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen können.

Griechenlands Regierungschef Tsipras reist am Freitag dieser Woche nach St. Petersburg, wo er mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammentreffen wird. Ob er von ihm finanzielle Hilfe erhält, ist mehr als fraglich. Der russische Finanzminister Anton Siluanow erklärte am Mittwoch, es seien im aktuellen russischen Haushalt keine Finanzmittel für Griechenland vorgesehen. (ag./wb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.