Die EU-Kommission leitete ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Ausländermaut in Deutschland ein. Verkehrsminister Stöger sieht sich bestätigt.
Brüssel. Österreicher, die ab Jänner 2016 mit ihrem Auto durch Deutschland fahren, werden vorerst keine Maut bezahlen müssen. Der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will die Einführung der Pkw-Maut aussetzen, bis ein Rechtsstreit mit der EU geklärt ist. Die EU-Kommission hat nämlich am Donnerstag ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Sie zweifelt daran, dass die Gesetze zur Maut EU-rechtskonform sind. Verkehrskommissarin Violeta Bulc kritisiert insbesondere die Refundierung der gesamten Maut für deutsche Pkw-Eigentümer über eine geringere Kfz-Steuer. Damit müssen nämlich nur Ausländer für die Autobahnbenutzung zahlen. „Eine Straßengebühr ist nur dann EU-rechtskonform, wenn sie nicht aufgrund der Staatsangehörigkeit diskriminiert“, sagte Bulc. Sie kritisierte auch, dass die Preise für Kurzzeitvignetten, die typischerweise von Ausländern gekauft werden, überproportional hoch seien.
Deutschland erhält nun ein Mahnschreiben. Berlin muss darauf innerhalb von acht Wochen Stellung nehmen. Wenn sich beide Seiten nicht einigen, droht Deutschland eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Bis zum Urteil könnten noch zwei Jahre vergehen. Damit wäre der ursprünglich geplante Start der Maut im Laufe des Jahres 2016 nicht mehr haltbar. Zuletzt hatte Dobrindt noch auf einer Einführung am 1. Jänner des nächsten Jahres bestanden.
Wird Deutschland vom EuGH verurteilt, muss es die Gesetze zur Maut abändern, andernfalls drohen hohe Geldstrafen. Würde Berlin trotz des Verfahrens die Maut einheben, könnten alle ausländischen Pkw-Nutzer die Abgabe möglicherweise später einklagen.
Verkehrsminister Alois Stöger (SPÖ) begrüßte das Vertragsverletzungsverfahren. „Wir haben immer gesagt: Eine Maut für alle Pkw-Benutzer ist rechtens, diese Regelung gibt es ja auch in Österreich seit vielen Jahren. Eine Maut nur für Ausländer, aber nicht für Deutsche, rüttelt aber an den Grundfesten der Europäischen Union.“ Stöger hatte im Frühjahr angekündigt, dass Österreich selbst vor den EuGH gehen würde, sollte die EU-Kommission kein Verfahren einleiten.
In Deutschland hat die Ankündigung der EU-Kommission heftige Reaktionen ausgelöst. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kritisierte: „Die EU ist verantwortlich dafür, dass Gerechtigkeit auf europäischen Straßen verschoben werden muss. Damit steigt der Ärger über die Überall-Einmisch-EU nur noch weiter.“ (ag./wb)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2015)