Ein Kippen Griechenlands hätte auch geopolitische Auswirkungen

Gutes Einvernehmen: Tsipras und Putin
Gutes Einvernehmen: Tsipras und PutinAPA/EPA/MIKHAIL KLIMENTIEV / RIA
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Griechenland befindet sich in einer geostrategisch bedeutsamen Lage. Von der Stabilität des Landes hängt auch die Stabilität der gesamten Region ab.

Der Streit mit Athen um ein Sparprogramm hält derzeit die EU in Atem. Das Gespenst eines Bankrotts und eines Ausscheidens Griechenlands aus der Eurozone geht um. Zuletzt standen in den Gesprächen der anderen Eurostaaten mit Athen vor allem finanz- und wirtschaftspolitische Überlegungen im Mittelpunkt. Aber sollte Griechenland kippen, könnte das auch geopolitische Auswirkungen haben.

Griechenland befindet sich in einer wichtigen geostrategischen Lage. Das Land ist ein Außenposten an der Südostflanke der EU. Hier befindet sich einer der Anknüpfungspunkte nach Kleinasien, zum Nato-Partner Türkei. Zudem grenzt Griechenland an den Raum der Balkanländer, die noch nicht Teil der Europäischen Union sind. Und Griechenland ist der EU-Staat, der neben Zypern am nächsten zu den Krisenregionen Syrien und Irak liegt. Auch Ost-Libyen und Ägypten befinden sich direkt vor Griechenlands Haustür.

Griechenland zählt deshalb zu den Staaten, die von den Fluchtbewegungen in die EU besonders betroffen sind. Viele der Menschen, die sich vor Krieg und IS-Terror in Syrien und im Irak in Sicherheit bringen, betreten hier zum ersten Mal den Boden der EU. Schon bisher schien Athen angesichts der eigenen wirtschaftlichen und sozialen Krise damit überfordert. Das würde sich bei einem Bankrott des Landes weiter verschärfen. Die griechischen Behörden lassen schon jetzt viele der Flüchtlinge einfach weiter Richtung Mitteleuropa ziehen. Zugleich leiden Schutzsuchende in Griechenland unter menschenunwürdigen Bedingungen. Der Europäische Gerichtshof urteilte deshalb, dass Flüchtlinge aus anderen EU-Staaten nicht nach Griechenland abgeschoben werden dürfen.

Athen hat traditionell gute Beziehungen zu Serbien, dem größten der Balkanstaaten, die vorläufig noch nicht EU-Mitglied sind. Zudem grenzt es an Albanien und Mazedonien. Die Beziehungen Athens zu Mazedonien sind gespannt. Grund dafür ist ein Streit um den Namen Mazedonien und darüber, wer das historische Erbe des antiken Makedonien für sich beanspruchen darf. Dass in Mazedoniens Hauptstadt Skopje etwa Statuen von Alexander dem Großen aufgestellt wurden, entschärfte diesen Disput nicht gerade. Zwar blockiert auch die derzeitige griechische Regierung Mazedoniens Weg in die EU. Grundsätzlich nahmen aber die Spannungen zuletzt ab. Diese Frage könnte jedoch wieder virulenter werden, wenn sich die interne Lage in Griechenland verschlechtert.

Dasselbe gilt für die Beziehungen zur Türkei. Mit ihr focht Griechenland mehrere Waffengänge aus – unter anderem um die Insel Zypern. Mittlerweile kommen die Nato-Partner Griechenland und Türkei miteinander weitgehend gut aus. Sollten aber – in einem Worst-Case-Szenario – rechtsextreme Parteien wie die Goldene Morgenröte in Athen an die Macht gespült werden, könnte das auch sicherheitspolitische Probleme für den gesamten Raum bringen. Von der Stabilität in Griechenland hängt letzten Endes die Stabilität in der gesamten Region ab.

Putin will Punkte sammeln

Wegen der Krise zählt Griechenland zu den weichen Flanken der EU. Athen und Moskau verbinden historische Bande. Dies beschworen beide Seiten, als der griechische Premier Alexis Tsipras Russlands Präsidenten Wladimir Putin besuchte. Zwar ist fraglich, ob Putin genügend Geld springen lassen kann/will, um Athen aus der Patsche zu helfen. Russland ist derzeit aber in ganz Südosteuropa sehr aktiv. Es wird natürlich versuchen, seinen Einfluss auch in Griechenland zu vergrößern, um so im Match um die Ukraine Punkte gegen die EU sammeln zu können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2015)

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