Deutschland: Gespräche erst nach Referendum

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Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt sich Athen gegenüber hart, will aber weiterhin mit Tsipras verhandeln. Am Mittwoch debattiert der Bundestag.

Berlin. Bei ihren vielen Treffen und Besprechungen am Montag war die Themenauswahl für die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, freilich nicht sehr abwechslungsreich: Griechenland. Zu Mittag, beim Festakt zur 70-Jahr-Feier der CDU, wiederholte sie zunächst ihr altes Mantra – „Scheitert der Euro, scheitert Europa“ –, anschließend lobte sie ihren eisernen Finanzminister, Wolfgang Schäuble, und schloss ein weiteres Entgegenkommen Richtung Athen aus; ein Nachgeben der EU würde lang- und mittelfristig Schaden einbringen. Athen müsse Kompromisse eingehen.

Kurz danach lud die Kanzlerin die Chefs der Parlamentsparteien zu Beratungen über Griechenland und das dort geplante Referendum ein. Merkel selbst hat von Alexis Tsipras' Volksbefragungs-Plänen offenbar sehr spät erfahren, am Montag jedoch ließ sie sich kaum etwas anmerken: niemand wolle das Abstimmungsverhalten der Griechen beeinflussen. Für ihren Vize und SPD-Chef, Sigmar Gabriel, ist die Sache schon eindeutiger: „Scheitert das Referendum, ist das ein klarer Entscheid gegen einen Verbleib im Euro.“ Kurz davor hatte sich die SPD noch positiv über die Volksabstimmung geäußert.

Offene Türen

Während also der Koalitionspartner mit der Meinung zu hadern scheint, hat Merkel es vorgezogen, (öffentlich) lieber gar nichts zu meinen. In den vergangenen Tagen, als die Grexit-Debatte quasi explodierte, verhielt sich die Kanzlerin eher abwartend bis wortkarg. Es ist eine Zwickmühle: Wenn sie Griechenland sinken lässt, wird das ihre Kanzlerschaft nachhaltig prägen – als der Anfang vom Ende der Eurozone, wie sich diverse Kommentatoren sicher sind.

Viel Spielraum will sie Tsipras auch nicht geben, zumal sie Griechenlands größten Gläubiger vertritt und ihre Entscheidungen den Bundesbürgern auch erklären muss. Merkel bleibt also hart, weist auf fehlende Kompromissbereitschaft Athens hin, lässt ihre Türen aber weiterhin offen. Freilich werde sie mit Tsipras das Gespräch suchen, ließ die Kanzlerin am Montag ausrichten. Offizielle Verhandlungen, sofern Griechenland das wünsche, sollen aber erst nach dem Referendum stattfinden. Für Mittwoch ist jedenfalls eine Debatte im Bundestag über die Lage in Griechenland angesetzt.

Unterdessen scheint das Wort Schuldenschnitt in Deutschland keine reine Schreckensvorstellung mehr zu sein: Immer öfter wird in Zeitungsartikeln daran erinnert, dass mehrere Schuldenschnitte dem eigenen Land auf die Beine geholfen haben – zuletzt nach dem Zweiten Weltkrieg. (duö)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2015)

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