Griechenland: Chaos in Hellas – nicht in Europa

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Die Turbulenzen auf den Finanzmärkten fielen schwächer aus als erwartet. Ist die Ansteckungsgefahr eines unkontrollierten Grexit gebannt? Die Folgen könnten später eintreten.

Wien/Athen. In Griechenland gehen die Nirostakochtöpfe aus. In sie stopfen Sparer ihre in Sicherheit gebrachten Euroscheine und vergraben sie im Garten. Die Banken haben seit Montag ebenso geschlossen wie die Börse in Athen. Das Land droht in einer fatalen Kettenreaktion aus dem Euro zu taumeln. Am Freitag dachte man noch, dass sich die Gläubiger mit Athen irgendwie einigen würden, wie so oft davor. Und nun: Abbruch der Verhandlungen, keine zusätzlichen Liquiditätshilfen der EZB, Eiszeit zwischen Brüssel und Athen. Der Start in die Woche hatte alle Zutaten für einen Krach an Europas Börsen.

Tatsächlich brachen die Kurse anfangs ein. Aber sie erholten sich rasch, die Verluste hielten sich in Grenzen. „Ein Chaos sieht anders aus“, stellte der deutsche Exportverband fast verwundert fest. Griechenland fällt aus dem Euro, und im Rest Europas passiert fast nichts? Eine Entwarnung wäre verfrüht und verfehlt. Aber zunächst scheint sich zu bewahrheiten, was das Gros der Politiker und Ökonomen für den Fall des Scheiterns prophezeit hat: In der Eurozone ist die Gefahr einer unmittelbaren Ansteckung gering.

Spätestens nach dem Schuldenschnitt 2011 haben Europas Banken ihre restlichen griechischen Anleihen an Hedgefonds abgestoßen, die sie als Spielwiese für riskante Wetten nutzen. Das Gläubigerrisiko wurde auf die Steuerzahler übertragen. Damit stehen auch für Österreich Milliarden „im Feuer“. Aber die Rettungsschirme bilden auch einen Schutzschild für andere Krisenländer wie Spanien, Portugal und Irland, die wieder auf Wachstumskurs sind. Am besten schützt die EZB, die ihre massiven Anleihenkäufe jederzeit weiter ausdehnen kann. Oder auch auf bestimmte Staaten fokussieren – dieses Versprechen stand hinter dem bisher nie umgesetzten OMT-Programm, für das der europäische Gerichtshof erst jüngst seinen späten Sanktus erteilt hat.

Stiller Bankrott am Dienstag

Auch am Schicksalstag am Dienstag sind keine heftigen Turbulenzen zu erwarten: Athen wird am Dienstag 1,6 Mrd. Euro an den IWF nicht überweisen und damit in Zahlungsverzug geraten. Das setzt beim Währungsfonds zwar einen unerbittlichen Prozess in Gang. Aber zunächst gibt es nur eine erste Mahnung – und keine Reaktion der Ratingagenturen, weil es nicht um Kredite von Standardgläubigern geht, sondern um Hilfsgelder aus dem öffentlichen Sektor. Freilich stehen noch Termine für einen denkbaren Flächenbrand aus: Wenn die Griechen am Sonntag gegen das Angebot der Gläubiger und damit de facto für den Euroaustritt stimmen. Oder wenn die EZB die Notkredite an die Banken doch noch mit einem Schlag fälligstellt.

Die meisten Experten richten ihren Blick aber weiter in die Ferne. Denn die Eurozone ist nicht mehr das, was sie noch am Freitag schien – ein in sich stabiles System, „unumkehrbar“, wie es in den Verträgen steht. Das Tabu ist gebrochen, was zwei Perspektiven eröffnet. Die negative lautet: Dem Gebäude ist sein festes Fundament entzogen. Wenn ein Mitgliedstaat künftig in eine Krise gerät, könne es ihm genauso ergehen wie Griechenland – und es würde schon wegen dieser Möglichkeit zum Opfer von Spekulation.

Die positive Denkschule sieht in der Zäsur eine Chance. Denn nun stehe fest: Die Verantwortlichen lassen ein Abgleiten in eine Haftungsunion, in der jedem Schuldner bedingungslos geholfen wird, nicht zu. Die Mitgliedschaft muss man sich durch solide, verlässliche Finanzpolitik verdienen – nicht nur beim Beitritt, sondern auf Dauer. Das aber könne den Euro und sein System nur stärken. Tatsächlich ist das keine akademische Diskussion. Welche Seite recht hat, wird sich an den Kursen ablesen lassen – von Anleihen, Aktien und dem Euro selbst.

Weitere Infos: www.diepresse.com/Grexit

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2015)

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