IWF: Athen hat fällige Zahlung nicht überwiesen

Griechenland ist zahlungsunfähig.
Griechenland ist zahlungsunfähig.(c) Reuters (Alkis Konstantinidis)
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Griechenland ist der erste entwickelte Staat, der beim IWF Rückstände hat. Das Ringen mit den Geldgebern geht weiter: Fällt die geplante griechische Volksabstimmung doch noch?

Griechenland ist seiner 1,5 Milliarden Euro schweren Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Internationalen Währungsfonds nicht nachgekommen. Das bestätigte der IWF am Dienstagabend. Griechenland ist damit der erste entwickelte Staat, der beim IWF Rückstände hat. Damit gilt Hellas als zahlungsunfähig.

"Wir haben unseren Exekutivrat darüber informiert, dass Griechenland jetzt im Zahlungsrückstand ist und nur dann eine IWF-Finanzierung erhalten kann, wenn dieser Rückstand beseitigt ist", sagte IWF-Sprecher Gerry Rice. Der IWF bestätigte zudem, dass Griechenland noch in letzter Minute gebeten habe, die Zahlung erst später leisten zu müssen. Darüber werde der IWF zu gegebener Zeit beraten, ergänzte der Sprecher.

In Gesellschaft mit Somalia und Sudan

Aus IWF-Kreisen verlautete, dass der die 188 Mitgliedstaaten repräsentierende Exekutivrat zu Beratungen über den Antrag zusammengekommen sei. Eine Entscheidung gab es zunächst nicht. In der offiziellen Erklärung des Währungsfonds hieß es lediglich, dass der Antrag eingegangen und "zu gegebener Zeit" vom Exekutivrat behandelt werde. IWF-Chefin Christine Lagarde hatte in den vergangenen Wochen eine Fristverlängerung für Athen klar ausgeschlossen. Allerdings würde eine Klausel in der Charta des Währungsfonds theoretisch die Verschiebung der Rückzahlung um bis zu fünf Jahre erlauben. In der Geschichte des IWF geschah dies aber erst zwei Mal: Nicaragua und Guyana bekamen beide im Jahr 1982 eine Gnadenfrist gewährt.

Neben Griechenland sind derzeit Somalia, Sudan und Simbabwe beim Währungsfonds im Zahlungsrückstand. Wenn Athen die fällige Rate weiter nicht begleicht, entscheidet der Exekutivrat über eine offizielle Beschwerde. Sollte Griechenland nach 15 Monaten immer noch nicht gezahlt haben, könnte der Währungsfonds eine Verweigerung der Zusammenarbeit feststellen. Dies hätte schrittweise Sanktionen zur Folge, die vom Ende der technischen Unterstützung durch IWF-Experten über die Aussetzung der griechischen Stimmrechte bis zum Verlust der Mitgliedschaft reichen.

Rückt Athen von Volksabstimmung ab?

Indes wollen die Finanzminister der Eurogruppe am Mittwochnachmittag (17.30 Uhr) erneut über die verfahrene Lage in dem pleitebedrohten Krisenland sprechen. Die Telefonkonferenz war ursprünglich für 11.30 Uhr angesetzt. EU-Diplomaten erwarten neue Spar- und Reformvorschläge der Regierung in Athen. Nach Informationen der Tageszeitung "Die Welt" erwägt Athen auch, die für Sonntag geplante Volksabstimmung unter der Bedingung abzusagen, dass es eine schnelle Übereinkunft mit der Eurogruppe gibt. Das habe Finanzminister Yannis Varoufakis seinen Kollegen gesagt.

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) sagte hingegen am Dienstagabend in der ZiB 2, Varoufakis habe nicht eine Absage in Aussicht gestellt, sondern eine "Ja"-Empfehlung für die Abstimmung. Dies sollte in dem Fall geschehen, dass die EU-Finanzminister den neuen Vorschlägen Griechenlands zustimmten. Der zusätzliche Vorschlag der Athener Regierung soll "angeblich sehr nahe an dem Vorschlag der Institutionen sein", sagte Schelling in der Früh im ORF-Radio: "Wir werden prüfen, ob das annähernd dem entspricht, was wir gemeinsam vereinbart haben."

Athen und Brüssel hatten Last-Minute-Vorschläge auf den Tisch gelegt, um die gescheiterten Verhandlungen wiederzubeleben. Griechenland brachte am Dienstag ein neues, drittes Hilfsprogramm ins Spiel, das aus drei Elementen besteht: neue Finanzhilfen im Umfang von rund 29 Milliarden Euro, ein Schuldenschnitt und eine kurzfristige Verlängerung des nun in der Nacht auf Mittwoch ausgelaufenen Hilfsprogramms. In einer eilends einberufenen Telefonkonferenz der Eurogruppe blitzte Athen am Dienstagabend mit seinem Antrag zunächst ab.

"Es ist verrückt, das Programm zu verlängern"

Mit Blick auf das Referendum sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem am Dienstagabend laut Nachrichtenagentur ANP im niederländischen Parlament: "Unter diesen Umständen ist es verrückt, das Programm zu verlängern. So endet es heute Nacht." Brüssel hatte Athen zuvor gedrängt, die Bedingungen der Geldgeber für das auslaufende zweite Hilfsprogramm doch noch in letzter Minute anzunehmen. An der aktuell höchst bedrohlichen Situation der griechischen Staatsfinanzen kann die Athener Bitte allerdings kurzfristig nichts mehr ändern.

Die Finanzminister der Eurostaaten kamen nach den Worten des finnischen Ressortchefs Alexander Stubb zunächst zu dem Schluss, eine kurzfristige Verlängerung des Hilfsprogramms und ein Schuldenschnitt seien nicht möglich. Eine Hilfsanfrage aus dem Euro-Rettungsfonds ESM würde zudem im üblichen Verfahren behandelt. Ein neues Hilfsprogramm unter dem Euro-Rettungsschirm ESM setzt neue Verhandlungen mit den Geldgebern voraus. Bisher gemachte Zusagen und Angebote wären hinfällig. Die Regierung aus der Linkspartei Syriza und der rechtspopulistischen Partei der Unabhängigen Griechen (Anel) hat bislang nicht dem von den Geldgebern geforderten Spar- und Reformmaßnahmen zugestimmt.

Rettungsschirm wird zugemacht

Damit wurde in der Nacht der bisherige Rettungsschirm zugemacht, unter dem Griechenland seit dem Frühjahr 2010 vor der Pleite geschützt war. Seither erhielt das Land Hilfszusagen von 240 Milliarden Euro. Ohne Einigung auf ein neues Reformpaket dürfen aber die noch offenen Hilfen aus dem internationalen Hilfsprogramm nicht gezahlt werden. Die Geldgeber - Internationaler Währungsfonds (IWF), Europäische Zentralbank (EZB) und die Euro-Partner in Europa - hatten zuletzt rund 16 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.

Im Schreiben von Ministerpräsident Alexis Tsipras, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es, Athen wolle die Hilfen ausschließlich zur Ablösung fälliger Schulden bis 2017 verwenden. Demnach geht es um ein Volumen von 29,145 Milliarden Euro. Daneben bittet er darum, dass die bisherigen Schulden beim früheren Rettungsfonds EFSF restrukturiert werden. Ferner strebt Athen eine Brückenfinanzierung an.

Ratingagenturen: Kein Zahlungsausfall

Die Krise in Griechenland hatte sich in den vergangenen Tagen dramatisch zugespitzt, griechische Bankkunden hoben aus Angst vor einer Staatspleite große Summen von ihren Konten ab. Um einen Zusammenbruch des Finanzsektors zu verhindern, verhängte die griechische Regierung am Sonntagabend Kapitalverkehrskontrollen und ordnete eine einwöchige Schließung der Banken an. Die griechischen Geldhäuser hängen am Tropf der Europäischen Zentralbank, die ihre Nothilfen zuletzt aber bei 90 Milliarden Euro deckelte. Dieser Finanzrahmen soll fast ausgeschöpft sein.

Nach dem Zahlungsausfall beim IWF könnten die europäischen Geldgeber theoretisch sämtliche Hilfskredite sofort zurückverlangen. Dies ist aber wenig wahrscheinlich, solange noch Hoffnung auf eine politische Lösung besteht. Die großen US-Ratingagenturen werten die Rückstände beim Währungsfonds nicht als Zahlungsausfall, da keine privaten Gläubiger betroffen sind. Allerdings stufte Fitch am Dienstag die Kreditwürdigkeit Griechenlands weiter in den Ramschbereich herab und begründete dies mit dem Scheitern der Verhandlungen mit den Geldgebern.

(APA/Reuters/AFP)

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