Griechenland: "Viele Leute haben die Nase voll"

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Zunehmend aggressiv reagieren die Europartner auf das ständige Wechseln der Position der Regierung in Athen. Der Euro-Gruppen-Chef bringt den Euro-Austritt ins Spiel.

Brüssel/Wien. „Dieses Hin und Her ist wirklich ermüdend, und davon haben viele Leute die Nase voll.“ Mit diesen Worten brachte der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, die derzeitige Stimmung gegenüber Griechenland auf den Punkt. Die Europartner sind über die ständig neuen Vorschläge aus Athen, das Nichteinhalten von Zusagen und Drohungen verärgert. Zur Eskalation hat die Fernsehansprache des griechischen Regierungschefs, Alexis Tsipras, beigetragen. Nur zwei Stunden vor einer Telefonkonferenz der Euro-Gruppe rief er am Mittwoch die Bevölkerung zu einer Ablehnung der Reform- und Sparauflagen bei einem Referendum am kommenden Sonntag auf. Kurz vorher hatte er noch selbst in einem Brief an die Kreditgeber diesen Vorschlägen weitgehend zugestimmt.

Unter den Verhandlungspartnern ist zudem der Eindruck entstanden, Tsipras habe versucht, die Euro-Regierungen zu spalten. IWF-Chefin Christine Lagarde äußerte sich am Donnerstag ungewöhnlich emotional über diese Linie: „Angesichts des Maßes an Unsicherheit, Verwirrung und ständiger Bewegung wäre aus meiner Sicht weiterhin ein bisschen mehr Erwachsensein erforderlich.“ Es gebe keinen Grund, „warum es für Griechenland eine Sonderbehandlung geben sollte“. Lagarde wies darauf hin, dass auch andere Länder wie Portugal oder Irland harte Maßnahmen ergriffen hätten, um ihren Staatshaushalt in Ordnung zu bringen.

Unmittelbar nach dem Referendum in Griechenland wollen die Staats- und Regierungschefs der EU Anfang der Woche einen Sondergipfel abhalten. Deutschlands Bundeskanzlerin, Angela Merkel, hat bereits angekündigt, sich lediglich bei einer Zustimmung der griechischen Bevölkerung zu den Auflagen weiterhin für eine Lösung der Schuldenkrise einzusetzen. Frankreich, das sich bisher stets für eine Einigung mit Athen eingesetzt hat, dürfte jedenfalls auf einen Kompromiss drängen.

Euro–Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem verstärkte am Donnerstag den Druck auf die griechische Regierung. Er hatte einen Tag zuvor die spontane Telefonkonferenz mit allen Finanzministern einberufen, um in letzter Minute doch noch eine Annäherung zu erzielen. Er betonte nun, dass es bei einem Nein der Griechen am kommenden Sonntag keine Basis mehr für ein neues Hilfsprogramm gebe, „sondern dann ist es sehr fraglich, ob es überhaupt noch eine Basis für Griechenland in der Eurozone gibt“.

Verständnis für die Haltung der griechischen Regierung kam indessen aus Argentinien von Staatspräsidentin Cristina Kirchner. Sie erinnerte an Parallelen zur Situation in ihrem Land zur Jahrtausendwende. „Das, was das griechische Volk durchmacht, ist genau das Gleiche, was wir Argentinier 2001 durchgemacht haben: das Drama der schrecklichen neoliberalen Politik der ständigen Anpassungen, die Elend, Hunger und Arbeitslosigkeit nach sich ziehen.“ Argentinien war damals pleitegegangen. Die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen, wie sie derzeit auch in Griechenland gelten, führte zu Plünderungen, Unruhen, blutigen Protesten und zur Flucht des Präsidenten. (ag., wb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2015)

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