Griechen-Referendum: "Bei einem 'Nein' wird es Unruhen geben"

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Griechen-Referendum: "Bei einem 'Nein' wird es Unruhen geben"(c) APA/EPA/ORESTIS PANAGIOTOU (ORESTIS PANAGIOTOU)
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Griechenlands Regierungschef Tsipras will sich nicht festlegen, ob er bei einem "Ja" der Bevölkerung zu den Forderungen der Gläubiger zurücktreten würde.

Der griechische Politologe Stathis Kalyvas zeichnet ein düsteres Szenario für den Fall, dass die Griechen bei dem Referendum über die Annahme von Spar- und Reformauflagen der Euro-Staaten und des Internationalen Währungsfonds am Sonntag mit "Nein" stimmen.

"Dann wird es die Situation geben, dass den Banken das Bargeld ausgeht. Sogar wenn die Europäische Zentralbank nicht ihre Not-Liquiditätshilfe einstellt, sondern nur auf derzeitigem Niveau belässt, werden die Banken praktisch kollabieren", sagt Kalyvas im Gespräch mit der Austria Presse Agentur. Die Griechen müssten dann von übrigem Bargeld leben, die Importe gerieten ins Stocken, Lebensmittel würden knapp. "Dann wird es Proteste geben und Unruhen", glaubt der Politikwissenschaftler.

Die Regierung von Alexis Tsipras (die für ein "Nein" wirbt) werde inzwischen gezwungen sein, ihre Rechnungen mit Schuldscheinen zu begleichen - praktisch die Einführung einer zweiten Währung. Am 20. Juli werde indes eine weitere Rückzahlung an die Europäische Zentralbank fällig, sagte der Politikwissenschaftler. Damit sei Griechenland der Staatsbankrott sicher - und diesen werde die Regierung wohl kaum überleben.

Ein wenig rosiger sieht Kalyvas die Lage im Falle eines "Ja" beim Referendum. "Mein Gefühl ist, dass Tsipras versuchen wird, an der Macht zu bleiben", glaubt der Politologe. In seiner Linkspartei Syriza werde es dann zu einer internen Revolte kommen, und der moderate Flügel der Partei werde sich abspalten. "Dann ist der Weg zu einem Deal mit den pro-europäischen Parteien frei, und zu einer Einheitsregierung", sagte Kalyvas.

Tsipras lässt Rücktritt offen

Tsipras selbst hat sich am Donnerstag nicht eindeutig auf einen Rücktritt im Falle eines "Ja" der Griechen beim Referendum festgelegt. Auf die Frage, ob er in diesem Fall seinen Hut nehme, sagte er in einem Interview mit dem Fernsehsender ANT1 lediglich, die "Entscheidung des griechischen Volks wird respektiert, ich werde das von der Verfassung vorgesehene Verfahren in die Wege leiten". Außerdem werde er seine Partei, die linksgerichtete Syriza, konsultieren.

Auf die Frage nach möglichen vorgezogenen Neuwahlen entgegnete Tsipras, es solle nicht vorgegriffen werden. "Das Land hat eine Verfassung, die angemessene Verfahren vorsieht, ich werde der institutionelle Garant der Verfassung bleiben", fügte der Regierungschef hinzu. Den Medien warf Tsipras eine Kampagne vor, die die Argumente des Nein-Lagers an den Rand dränge. Ein Nein zu den Gläubiger-Forderungen bedeute "kein Nein zu Europa", sondern eine "realistische Lösung" mit weniger harten Sparauflagen und einer Restrukturierung der griechischen Schulden.

Der griechische Finanzminister Giannis Varoufakis hatte zuvor sein politisches Schicksal klar mit dem Ausgang des Referendums über die Gläubigerforderungen verknüpft. Bei einem Sieg des Ja-Lagers werde er "nicht mehr" Finanzminister sein, sagte Varoufakis am Donnerstag dem Sender Bloomberg TV. Zu Wochenbeginn hatte auch Tsipras seinen Rücktritt in diesem Falle nahegelegt. Er sei kein Ministerpräsident, der unter allen Umständen im Amt bleibe, antwortete Tsipras am Montagabend in einem Fernsehinterview auf die Frage nach seiner Reaktion im Fall eines Ja der Griechen am Sonntag.

(APA/AFP/Red.)

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