EU: „Griechenland ist und bleibt ein Teil Europas“

(c) Bloomberg (Chris Ratcliffe)
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Auf eine Mitgliedschaft des Landes in der Eurozone will man sich in Brüssel nicht mehr festlegen. Nun ist Alexis Tsipras am Zug.

Brüssel. Am Sonntag haben die Griechen gesprochen – gestern war Brüssel an der Reihe. Nach der überraschend klaren Ablehnung der Reformvorschläge der Geldgeber Griechenlands (EU-Kommission, EZB und IWF) war es der für den Euro zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, der Montagmittag vor die Mikrofone trat – sein Chef, Jean-Claude Juncker, will sich erst heute bei seinem Auftritt im Europaparlament in Straßburg öffentlich äußern. Die Brüsseler Behörde wurde bis dato eher zu den Verbündeten Griechenlands gezählt – die Kommission versteht sich seit jeher als eine Art Hirtenhund, der seine europäischen Schäfchen zusammenhält. Doch was der Lette Dombrovskis gestern zu sagen hatte, klang nicht wirklich beschützend: Die Kluft zwischen Athen und der Eurozone habe sich vergrößert, aus der Krise gebe es keinen einfachen Ausweg. Selbst der Trost, den Dombrovskis den Griechen spendete, blieb schwach: „Griechenland ist und bleibt ein Teil Europas.“ Von der Mitgliedschaft in der Eurozone war allerdings nicht mehr die Rede – selbst auf Nachfrage wollte der Kommissar nicht die griechische Euromitgliedschaft für sakrosankt erklären.

Rein prozedural ist nun die Euro-Gruppe am Zug – erst wenn das Gremium der Finanzminister ein griechisches Angebot für ausreichend befindet, kann die EU Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm für das überschuldete Land aufnehmen – das zweite Hilfspaket lief am 30. Juni aus. Das bedeutet, dass der griechische Regierungschef, Alexis Tsipras (bzw. sein neuer Finanzminister), schleunigst einen verbindlichen Reformfahrplan vorlegen muss, will er in Verhandlungen treten. Doch selbst dann ist nach Auskunft von Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem nicht mit einer raschen Einigung zu rechnen.

Aus Regierungskreisen in Athen hieß es gestern, Tsipras werde zum heutigen Sondergipfel in Brüssel einen Vorschlag mitbringen. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, wäre das ein Problem – denn eigentlich müsste die Euro-Gruppe, die heute vor dem Beginn des Gipfels tagt, das Angebot zuerst begutachten und dann den Staats- und Regierungschefs eine Empfehlung geben. Doch genau dagegen sperrt sich Tsipras seit Monaten – er will eine „politische Lösung“ der Krise und keine detaillierten (und verbindlichen) Vorgaben zu Sparmaßnahmen und Strukturreformen.

„Humanitäre Hilfe“

Ob das heutige Gipfeltreffen den Durchbruch bringen kann, schien zumindest gestern fraglich. Am Abend sollte Deutschlands Bundeskanzlerin, Angela Merkel, nach Paris reisen, um mit ihrem Kollegen François Hollande die Lage zu erörtern. Wirtschaftsminister Emmanuel Macron warnte jedenfalls davor, den Griechen einen „Versailles-Vertrag“ (also ein Abkommen mit zu harten Bedingungen) aufzuzwingen. Im Bundeskanzleramt hingegen hält man Gespräche über ein Abkommen für verfrüht. Angesichts der Entscheidung der Griechen „gibt es zurzeit nicht die Voraussetzungen, um in Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm einzutreten“, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag.

Worüber sollen dann die Staats- und Regierungschefs der Eurozone heute in Brüssel reden, sollte das Treffen im Elysée-Palast keine neuen Erkenntnisse bringen? In Berlin machte gestern der Begriff „humanitäre Hilfe“ auffallend oft die Runde – der Gipfel müsse die Sicherstellung der Grundversorgung für die griechischen Bürger thematisieren, sagte etwa Vizekanzler Sigmar Gabriel. Fast scheint es, als würden die politischen Akteure in Berlin Griechenland mittlerweile als gescheiterten Staat sehen, dem geholfen werden muss – mit dem aber nicht mehr ernsthaft verhandelt wird.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2015)

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