Südeuropas Angst vor Ansteckung

ITALY MEXICO DIPLOMACY
ITALY MEXICO DIPLOMACY(c) APA/EPA/MAURIZIO BRAMBATTI (MAURIZIO BRAMBATTI)
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In Italien und Spanien jubeln EU-feindliche Parteien über das griechische Nein. Rom und Madrid wollen neue Hilfspakete – und eine weniger rigide EU-Sparpolitik.

Wien. Das griechische Nein droht alte Gräben in Europa aufzureißen: In den Mittelmeer-Eurokrisenländern Italien und Spanien wird das Votum als klare Absage an die verhasste – „von Berlin diktierte“ – rigide Sparpolitik interpretiert. Der Druck vonseiten der EU-feindlichen Opposition steigt, „einen neuen Weg“ zu finden. Und daher war es kein Wunder, dass sich Rom und Madrid nur wenige Stunden nach dem Referendum auffallend konziliant gegenüber Athen äußerten – und sich durchaus ein weiteres Hilfspaket vorstellen können.

So wünschte sich Italiens Premier Matteo Renzi ein weniger strenges Europa. „Die EU braucht Politik, nicht nur Regeln. Werte, nicht nur Zahlen. Wenn wir im Banne von Regeln und Bürokratie bleiben, ist Europa zu Ende“, lautet sein Plädoyer. Der Sozialdemokrat hofft, dass beim heutigen Treffen der EU-Finanzminister ein „Notausgang für die dramatische Lage in Griechenland“ gefunden wird.

Renzi, der noch kurz vor der Abstimmung die deutsche Linie mitgetragen hatte, forderte nun einen „dritten Weg“ im ewigen wirtschaftspolitischen Disput zwischen strenger Budgetdisziplin und expansiver Geldpolitik. Wie das genau aussehen soll, sagte er nicht.

„La Merkel“, die Herzlose

Denn in erster Linie versucht der Premier, die Anti-Europa-Konkurrenz daheim zu bremsen: Das rebellische Griechenland ist über Nacht zur ideologischen Heimat von Italiens Euro- und EU-Gegnern geworden – und die repräsentieren inzwischen so gut wie die gesamte parlamentarische Opposition: Den Euroaustritt fordern die Berlusconi-Partei Forza Italia, die rechtspopulistischen Lega Nord, Beppe Grillos Bewegung und die radikale Linke. Aber auch der Linksflügel innerhalb Renzis Partei jubelt über das griechische Nein.

Hinter der Renaissance der Anti-EU-Parteien steckt die Angst vor einer Ansteckung durch Griechenland und neuer Wirtschaftsmisere (Beobachter befürchten, dass bei einem Grexit das internationale Vertrauen gegenüber schwächeren Euroländern sinken könnte). Die Anti-Europa-Parteien punkten mit Attacken gegen „la Merkel“ und ihre „herzlose Sparpolitik“ – die „rigiden Deutschen“ seien die Wurzel der Misere, nicht die jahrzehntelange Verschwendungspolitik, so ihre Überzeugung. Durch das griechische Nein fühlen sie sich bestätigt. Auch in moderateren Kreisen wächst die Überzeugung, dass ein „flexiblerer“ deutscher Kurs die Griechenland-Krise hätte verhindern können.

Groß ist die Angst vor einer griechischen Ansteckung auch in Spanien: Die linksradikale Podemos feierte das Referendum gestern quasi als eigenen Sieg. Der spanische Zwilling von Syriza hofft nun auf einen Erdrutschsieg bei den Wahlen im Herbst. Die Regierung berief wegen des drohenden Euro-Debakels gestern eine Dringlichkeitssitzung ein. Beschlossen wurde, auf Milde zu setzen: Die konservative Regierung sprach sich deutlich für ein neues Griechenland-Hilfspaket aus. (basta)

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2015)

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