Wie sich die Griechen auf das Schlimmste vorbereiten

(c) Bloomberg (Yorgos Karahalis)
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Hamsterkäufe in den Supermärkten und Polizei vor zentralen Bankinstituten: Noch ist die Lage ruhig, aber das könnte sich ändern. Dramatisch ist es um die Krankenhäuser bestellt.

Österreichs Finanzminister, Hans Jörg Schelling, ist schon bereit, „humanitäre Hilfe“ für Griechenland zu leisten. Im griechischen Alltag ist auf den ersten Blick aber noch nicht viel von einer Katastrophe zu sehen: Die Supermärkte gingen auch am Montag, Tag acht nach Verhängung der Kapitalverkehrskontrollen, vor Waren über. Im Laden um die Ecke antwortet die Kassiererin auf die Frage, ob das Geschäft zurückgegangen sei: „Von wegen wenig los – was die Leute gekauft haben, das können sie in drei Monaten nicht aufessen!“

Hamsterkäufe mit 60 Euro pro Tag in der Brieftasche – das scheint unmöglich. Doch viele Menschen haben vorgesorgt. Seit Monaten fließen Gelder von den Bankguthaben ab, von dort meist nicht auf Auslandskonten, sondern unter die Matratze. Andere, vor allem ausländische Touristen, können problemlos mit ihren Kreditkarten zahlen.

Andererseits haben die Bürger ihre Prioritäten geändert. Wie der Präsident des Verbands der griechischen Einzelhändler verlauten ließ, fand vergangene Woche eine Umschichtung der Umsätze in Richtung Lebensmittel in Höhe von 300 bis 400 Millionen Euro statt. Das bedeutet: Man spart bei allem, was nicht unbedingt notwendig ist – und deckt sich dafür mit Essen und Trinken ein.

Doch wie lange reichen die Vorräte noch? Ilias Angelopoulos, Organisator der Holzmesse Medwood, der mit einer Reihe österreichischer Exporteure zusammenarbeitet, erklärt: „Im Moment wird auf dem Markt vertrieben, was die Importeure und Produzenten auf Lager haben. In etwa zehn Tagen werden sich auf den Gütermärkten erste Engpässe bemerkbar machen, bei den Lebensmitteln einige Tage früher.“ Nicht, dass von einem Tag auf den anderen nichts mehr in den Regalen zu finden sein wird. Aber eine Reihe von Gütern, vor allem Importprodukte, werden dann zur Mangelware, man rechnet mit Preiserhöhungen.

Die Regierung hat sich zwar viel Mühe gegeben, die kargen Pensionen der Pensionisten auszuzahlen. Doch die Kommission, die Auslandszahlungen von griechischen Firmen bewilligen sollte, funktioniert auch eine Woche nach Verhängung der Kapitalkontrollen noch nicht. Das bedeutet, dass der grenzüberschreitende Handel zum Erliegen gekommen ist. Es gibt allerdings Ausnahmen. Angelopoulos: „In den vergangenen Jahren haben viele größere griechische Firmen Niederlassungen im EU-Raum gegründet, um leichter an Finanzierungen heranzukommen. Diese Unternehmen, allen voran die Aluminiumindustrie, können nun die Geschäfte über das Ausland abwickeln. Alles andere liegt auf Eis.“ Die Bestellungen vieler ausländischer Firmen bei griechischen Produzenten mussten storniert werden, weil die Firmen aufgrund der Beschränkungen keine Rohstoffe für die Weiterverarbeitung importieren konnten.

Dramatisch ist die Lage in den Krankenhäusern. Der Salzburger Erwin Schrümpf, der mit seiner „Griechenland-Hilfe“ Materiallieferungen betreut und Krankenhäuser, soziale Einrichtungen, aber auch die SOS-Kinderdörfer beliefert, zeichnet ein trauriges Bild: „Es gibt kaum mehr Lebensmittel für die stationären Patienten.“ Aber Waren gibt es doch? „Die Spitäler haben kein Geld, die Lieferungen zu bezahlen. Und die Lieferanten fordern die ausständigen Gelder der Vormonate zurück.“

Engpässe gibt es bei Herz- und bei Krebsmitteln. Schlimm ist der Mangel aber vor allem bei Hygienematerial: Spritzen, Verbandsmaterial, Kanülen und Handschuhe sind kaum vorhanden. Nikos Thessalonikeas vom griechischen Träger der Gesundheitsleistungen (EOPYY) unterstreicht, die Kommission zur Bewilligung von Auslandsüberweisungen funktioniere ja. „Aber sie arbeitet langsam. Es gibt große Verspätungen bei den Lieferungen.“

Bis auf Weiteres bleibt die Lage ruhig, Unruhe gibt es nur in den Schlangen vor den Banken, die in dieser Woche weiter geschlossen bleiben sollen. Die Polizei hat Wachpersonal vor zentralen Kreditinstituten postiert, die Streifen in den Vierteln wurden intensiviert. Sollten die Lebensmittel knapp oder gar Zwangsabgaben auf die Spareinlagen beschlossen werden, dann könnte sich die Lage freilich zuspitzen. An der Liebe zu Premier Alexis Tsipras dürfte das nichts ändern. Ein Großteil der Menschen ist offensichtlich der Meinung, dass andere an der Misere schuld sind.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2015)

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