Die letzte Frist für Athen: EU-Sondergipfel am Sonntag

Newly-appointed Finance Minister Euclid Tsakalotos in Athens before handover ceremony
Newly-appointed Finance Minister Euclid Tsakalotos in Athens before handover ceremony(c) REUTERS (YANNIS BEHRAKIS)
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Bis Freitag muss Alexis Tsipras einen neuen Vorschlag vorlegen. Am Wochenende will die EU dann ihr endgültiges Urteil fällen. Scheitert der Sonntagsgipfel, ist der "Grexit" unausweichlich.

Griechenland hat durch sein Referendum wichtige Zeit für eine Lösung seines Liquiditätsproblems verloren. Das wurde am Dienstag bei einem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der Eurozone in Brüssel deutlich. Und es verzögert sogar weiterhin eine Einigung. Griechenlands neuer Finanzminister, Euklid Tsakalotos, reiste zu dem im Vorfeld des Gipfels angesetzten Treffen der Euro-Gruppe ohne neue Vorschläge an. Die griechische Regierung will nun wieder ein Papier übermitteln. Gemeinsam mit diesen Vorschlägen soll ein Antrag auf ein weiteres Hilfsprogramm durch den Euro-Rettungsfonds ESM erfolgen. EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker stellte am Abend klar: Bis spätestens Freitag, 8.30 Uhr, müsse das Papier vorliegen. Die deutsche Kanzler Angela Merkel erwartet dagegen schon bis Donnerstag konkrete Reformpläne. Auch Österreichs Kanzler Werner Faymann nannte den Donnerstag als Termin.

Athens Vorgangsweise sorgte bei den Euro-Finanzministern am Dienstag, die am Mittwoch eine Telekonferenz abhalten werden, für Konsternation. Schließlich hatte die regierende Syriza-Partei nach dem erfolgreich geschlagenen Referendum am Sonntag urgiert, dass eine Einigung mit den Geldgebern Griechenlands binnen 48 Stunden erzielt werden müsse. Nun aber scheint es der griechische Premierminister, Alexis Tsipras, doch nicht so eilig zu haben. Auch was die Ausgestaltung des griechischen Angebots angeht, dürften die Empfänger in Brüssel keine großen Überraschungen erwarten. Dem Vernehmen nach wird es sich um das griechische Angebot von Ende Juni handeln – angereichert mit einigen „Verbesserungen“, hieß es aus Regierungskreisen in Athen.

Juncker: "Haben 'Grexit'-Szenario"

Das Ringen um eine Lösung der Schuldenkrise dauert nun zumindest bis Sonntag an – dann nämlich müssen die Staats- und Regierungschefs wieder zu einem Sondergipfel nach Brüssel eilen – in der Hoffnung, die neue griechische Offerte wurde bis dahin von der Euro-Gruppe (die dem Vernehmen nach am Samstag tagen wird) für solid befunden. Generell überwog Dienstagabend in Brüssel die Skepsis: Der niederländische Premier Mark Rutte zeigte sich „sehr pessimistisch“, Bundeskanzler Werner Faymann wiederum hält die Möglichkeit einer Überbrückungshilfe für Athen nur dann für möglich, wenn es bis Sonntag eine Vereinbarung über ein Hilfsprogramm gibt – ansonsten werde ein Plan B vorbereitet. Dass der Gipfel am Sonntag kein Treffen der Eurozone ist, sondern aller 28 EU-Staats- und Regierungschefs, hängt laut Faymann damit zusammen, dass im Falle eines Misserfolges über humanitäre Hilfe für Athen beraten werden muss. Soll heißen: Scheitert der Sonntagsgipfel, ist der Grexit unausweichlich. EU-Kommissionspräsident Juncker stellte am Dienstagabend jedenfalls klar: "Wir haben ein detailliertes 'Grexit'-Szenario."

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Die Aussichten auf einen Kompromiss waren freilich nicht mehr sehr groß. „Die Voraussetzungen für ein ESM-Hilfsprogramm seien derzeit nicht gegeben, sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am Abend. Auch in Grundsatzfragen sind beide Seiten weit voneinander entfernt geblieben. Athen beharrt vorab auf Zusagen einer Reduzierung seiner Schuldenlast, während die Euro-Finanzminister im besten Fall einen Beitrag zur kurzfristigen Entspannung der Lage in Griechenland leisten wollen. Insbesondere ging es um die Bargeld-Engpässe griechischer Banken. Sie könnte als Vorgriff auf ein weiteres Hilfsprogramm ausbezahlt werden.

Der von Athen geforderte Schuldenschnitt wurde vom deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble ausgeschlossen. „Wer die EU-Verträge kennt, weiß, dass ein Schuldenschnitt unter das Bail-out-Verbot (Verbot der gegenseitigen Schuldenübernahme, Anm.) fällt“, so der CDU-Politiker. Eine solche Umschuldung hatten zuletzt die Experten des Internationalen Währungsfonds angeregt. Als Option wurde eine Schuldenstundung auf 20 Jahre und eine Streckung der Rückzahlung auf 40 Jahre angeregt. Auch Finanzminister Hans Jörg Schelling hält einen Schuldenschnitt ohne griechische Gegenleistung für ein falsches Signal, wie er gestern Abend in der ZiB2 sagte. Er würde nicht dafür stimmen.

Die Krise in Griechenland hat auch die USA und Russland auf den Plan gerufen. Der russische Präsident Wladimir Putin telefonierte mit IWF-Chefin Christine Lagarde und sprach sich für eine rasche Lösung us. US-Präsident Barack Obama sprach mit Angela Merkel und Alexis Tsipras.

Gelder fließen nicht mehr

Griechenlands Banken werden indessen immer mehr von internationalen Partnern abgeschnitten. Laut der italienischen Tageszeitung „Il Foglio“ soll sogar die EU-Kommission die Überweisung von Fördergeldern gestoppt haben. Die Überweisung von Geldern für Forschungsprojekte im Chemie-, Technologie- und Telekommunikationssektor werden zurückgehalten, weil es keine Garantie mehr dafür gibt, dass sie bei den Empfängern ankommen. Nicht betroffen sind Förderungen für die Landwirtschaft und für Kohäsionsprojekte. (ag./red)

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