Griechenland: Von Chinas Seidenstraße zur Schuldenstraße

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Als Tor nach Europa ist Griechenland unverzichtbar für den Absatz chinesischer Waren auf dem Kontinent. Peking möchte sich den Weg in die EU über Häfen und Infrastrukturprojekte ebnen.

Peking/Athen. Deutlicher hätte es die chinesische Staatszeitung „China Daily“ wohl nicht mehr abbilden können: In einer Illustration zeigte sie den chinesischen Premier, Li Keqiang, wie er hilft, ein leckes Boot zu reparieren. Von einem Steg aus reicht er den Schiffbrüchigen – EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EU-Ratsvorsitzendem Donald Tusk und dem griechischen Premier Alexis Tsipras – Holzscheite zum Abdecken der Löcher. Doch auch Chinas Premier selbst fand während des EU/China-Gipfels in Brüssel vergangene Woche ungewöhnlich deutliche Worte zum aktuellen Geschehen in Griechenland: „Als Investor will China ein vereintes, prosperierendes Europa und einen starken Euro sehen.“ Dafür sei China auch bereit, eine „konstruktive Rolle“ zu spielen.

Denn die geostrategische Bedeutung Griechenlands für China ist enorm. Das Land, das die Chinesen als Tor nach Europa nutzen wollen, soll im Euro bleiben. Daher fordert die chinesische Führung, dass Brüssel die Griechen weiterhin finanziell unterstützt, so wie es Peking schon lang mit seinen rückständigen Provinzen im Westen des Landes macht. Die EU ist Chinas größter Handelspartner. Indessen rangiert das Reich der Mitte hinter den USA auf Platz zwei der wichtigsten Handelspartner der EU-Staaten. Täglich werden mehr als eine Milliarde Euro zwischen der Union und China gehandelt.

Über Griechenland will Peking den europäischen Markt als wichtigen Abnehmer chinesischer Produkte weiter erobern. Eine bedeutende Rolle spielt hierbei der Hafen von Piräus. 2009 erwarb die chinesische Reederei Cosco eine 35-jährige Konzession für 70 Prozent des Frachthafens. Der Staatskonzern ist auch am Erwerb des dritten Containerterminals interessiert.

Der Hafen ist jedoch nur ein kleiner Puzzlestein in einem riesigen Netzwerk, das Chinas Präsident, Xi Jinping, erst kürzlich mit viel Pomp als „Wiederbelebung der alten Seidenstraße“ angekündigt hat. Der maritime Teil der Handelsroute führt von den chinesischen Hafenstädten über den Suez-Kanal nach Piräus – und von dort weiter in den Rest Europas.

Um Piräus zu einem neuen Rotterdam unter chinesischer Ägide zu machen, waren lang weitere Privatisierungen in Griechenland geplant. So hat China bereits sein Interesse am Hafen von Thessaloniki, dem staatlichen griechischen Eisenbahnnetz und dem Flughafen von Athen bekundet. Lange Zeit standen auch chinesische Beteiligungen am griechischen Stromnetzbetreiber ADMIE und am Gasversorger Depa im Raum.

Kein Wunder also, dass Peking auf eine Einigung zwischen Athen und den Geldgebern pocht. Es ist besorgt, dass die fortdauernde Krise in Griechenland diesen Plänen und bereits getätigten Investitionen – von 2000 bis 2014 betrugen chinesische Direktinvestitionen nach Griechenland 405 Millionen Euro – zuwiderlaufen könnten. Dementsprechend düpiert waren auch chinesische Staatsmedien, als Premier Tsipras im Februar die Privatisierung der restlichen 30 Prozent des Hafens von Piräus zum ersten Mal platzen ließ.

In Anspielung an die griechische Mythologie kritisierten sie pathetisch, dass Tsipras „so wie Phaeton die Zügel des Sonnenwagens bekommen hat, um die Kontrolle zu verlieren und beinahe zur Erde zu stürzen“.

Immer wieder lassen chinesische Parteigranden anklingen, dass die Krise des südosteuropäischen Staates nicht nur Griechenland oder den Euroraum selbst, sondern auch andere Wirtschaftsräume betreffe. Erst gestern etwa betonte Vizeaußenminister Chen Guoping die möglichen Auswirkungen eines Austritts Griechenlands aus der Eurozone auf China.

Direkte Finanzhilfen aus China fraglich

Ob Peking Athen bei einem Grexit mit direkten Finanzhilfen unter die Arme greifen würde, ist aber mehr als fraglich. Nicht nur wird China gerade selbst von heftigen Tumulten an der Börse gebeutelt, Premier Li Keqiang betonte bei seiner Europa-Reise auch, dass die Schuldenfrage Athens eine rein innereuropäische Angelegenheit sei. China habe bereits Anstrengungen unternommen, um die griechische Schuldenkrise überwinden zu helfen. Jetzt sei es an der Zeit, dass die Gläubiger und Griechenland Fortschritte machten, um aus der aktuellen Krise herauszukommen.

Tatsächlich hat China dem Internationalen Währungsfonds 2011 milliardenschwere Hilfszahlungen überwiesen, die indirekt auch an Griechenland geflossen sind. Solang das EU-Boot noch nicht gesunken ist, wird sich die „konstruktive Rolle“ Chinas daher wohl hauptsächlich auf Investitionen in griechische Infrastruktur beschränken.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2015)

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