Drittes Hilfsprogramm: Griechenland unter Protektorat

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Die Vereinbarung mit dem Rest der Eurozone läuft darauf hinaus, den Zugriff der griechischen Regierung auf die Wirtschaftspolitik ihres Landes zu minimieren.

Brüssel. Um das Ausmaß der griechischen Niederlage in der Verhandlungen um neue Hilfskredite zu verdeutlichen, genügt eine Zahl: 50 Milliarden Euro. So viel müssen die Vermögenswerte des griechischen Staats wert sein, die Athen in einen Treuhandfonds einzubringen hat. Dessen Aufgabe wird es sein, den Schuldenberg Griechenlands (derzeit sind es rund 180 Prozent des BIPs) langsam abzutragen.

Bis zur letzten Minute des gestrigen, 17-stündigen Marathongipfels in Brüssel hatte der griechische Ministerpräsident, Alexis Tsipras, gegen die Einrichtung dieses Privatisierungsfonds gekämpft – mit Rückendeckung Frankreichs und Italiens, die vermeiden wollten, dass Athen zu harsche Spar- und Reformauflagen auferlegt werden. Doch am Ende der langen Nacht hatten sich die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, und ihre Verbündete (unter ihnen Finnland, die Niederlande) durchgesetzt. Sofern das griechische Parlament das Ergebnis billigt, laufen die darin enthaltenen Bedingungen auf eine Entmündigung Griechenlands hinaus.

Nachdem Athen bereits in den nächsten Tagen das Geld auszugehen droht, hatte Tsipras um ein 82 bis 86 Mrd. Euro schweres Hilfspaket beim Euro-Rettungsschirm ESM angesucht. Doch die Geldgeber knüpften ihre Zustimmung zum Beginn der Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm an eine Vielzahl von Bedingungen, die Athen innerhalb der nächsten eineinhalb Wochen zu erfüllen hat (siehe Seite drei) und deren Zweck es ist, den Zugriff der griechischen Links-rechts-Regierung auf die Wirtschaftspolitik ihres Landes zu minimieren.

Neben dem bereits erwähnten Fonds, in den auch die griechischen Banken überführt werden sollen, musste sich Tsipras unter anderem zu einer „Entpolitisierung der griechischen Verwaltung“ und zur Umsetzung einer Vielzahl von Reformen verpflichten. Sollte das Parlament in Athen am morgigen Mittwoch die ersten Reformen beschließen und sollten die nationalen Parlamente der Geberländer (darunter auch Österreich und Deutschland) grünes Licht geben, sei die Eurozone bereit, die akute griechische Geldnot – allein im laufenden Monat werden sieben Mrd. Euro benötigt – durch eine Zwischenfinanzierung zu mildern. „Der Plan A ist realisiert, nun brauchen wir keinen Plan B mehr“, sagte Merkel Montagfrüh – mit der zweiten Variante war die Drohung eines Ausschlusses Griechenlands aus der Eurozone gemeint, die zeitweise im Raum stand. Ins selbe Horn stieß François Hollande, der Tsipras Rückendeckung gegeben hatte: Griechenland könne nun in der Eurozone bleiben, sagte der französische Staatschef am Montag.

Zu hart oder zu weich verhandelt?

Aus mehreren europäischen Hauptstädten wurde Kritik an der harten Verhandlungslinie Deutschlands laut. Der französische Wirtschaftsminister, Emmanuel Macron, verglich das Ergebnis sogar mit dem Friedensvertrag von Versailles 1919, als Deutschland zu Gebietsabtretungen und Reparationszahlungen verpflichtet wurde. Andere zeigten sich hingegen enttäuscht, dass es nicht zum Austritt Griechenlands aus der Währungsunion gekommen ist. Der tschechische Finanzminister, Andrej Babiš, hält Einigung für „keinen guten Schritt“. „Eine Lösung ist nur der Austritt Griechenlands aus der Eurozone und ein teilweiser Schuldenerlass“, so der liberale Politiker und Großunternehmer. Eine ähnlich Position vertritt der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn: „Es hat keinen Sinn, die Probleme des Landes mit immer mehr Geld zuschütten zu wollen.“

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2015)

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