Schuldenkrise: Griechenland vor Neuwahlen

GERMANY ECONOMY GREECE BAILOUT
GERMANY ECONOMY GREECE BAILOUT(c) APA/EPA/KARL-JOSEF HILDENBRAND (KARL-JOSEF HILDENBRAND)
  • Drucken

In Athen wird offen über mögliche Parlamentswahlen im Herbst diskutiert. Die linksradikale Syriza ist gespalten. Die Regierung muss umgebildet werden.

Athen. In Athen stehen die Weichen auf Neuwahlen. Sie könnten entweder bereits im September oder im Oktober stattfinden. Nachdem es in der Nacht auf Donnerstag bei der ersten von den internationalen Gläubigern geforderten Abstimmungen zum neuen Reform- und Sparpaket im griechischen Parlament faktisch zu einer Spaltung des regierenden radikalen Linksbündnisses Syriza von Ministerpräsident Alexis Tsipras gekommen war, sprachen sich führende Syriza-Politiker für die Abhaltung von Parlamentswahlen im Herbst aus. 39 der 149 Syriza-Abgeordneten hatten das Maßnahmenpaket nicht mitgetragen, das mithilfe des Koalitionspartners, der Unabhängigen Griechen (Anel), und den drei Oppositionsparteien Nea Dimokratia, Pasok und Potami beschlossen wurde. Innenminister Nikos Voutsis meinte, dass es im September oder Oktober 2015 wohl Neuwahlen geben werde. Auch Kulturminister, Nikos Xydakis, und der stellvertretende Parlamentspräsident, Alexis Mitropoulos, erwarteten einen Urnengang.

Regierungssprecher Gavriil Sakellaridis stellte das Naheliegende fest: Erst gelte es jetzt, die Einigung mit den Gläubigern unter Dach und Fach zu bringen. Mit den innerparteilichen Problemen könne man sich erst später auseinandersetzen. Eine Neuwahl, so heißt es, sei aus eben diesem Grund frühestens im Herbst anzusetzen. Für viele Beobachter ist für diese Übergangsphase die Zusammenarbeit des Premiers mit der Opposition naheliegend. Die Abtrünnigen freilich sehen das anders: Gleich nach der Abstimmung im Parlament in der Nacht auf Donnerstag meinte Panagiotis Lafazanis, noch Industrieminister und Chef der innerparteilichen Opposition, dass für ihn „kein Grund für Neuwahlen“ bestehe. Die linke Strömung werde die Regierung des Premiers weiterhin stützen – lediglich die Spar-Memoranden werde man niederstimmen. Dass dieses Verhalten aus der Sicht seines Ministerpräsidenten keine Grundlage für eine tragfähige Regierung ist, wollte er nicht einsehen. Für ihn sei die Partei „geeint“.

Doch auch Tsipras schien am Donnerstag mit der Möglichkeit zu spielen, sich mit den abtrünnigen Abgeordneten zu arrangieren. Weder wurden Ausschlussverfahren aus der Fraktion gegen die Aufrührer eingeleitet, noch wurden sie aufgefordert, ihre Plätze für andere Abgeordnete zu räumen, wozu sie sich eigentlich vor Annahme ihrer Mandate parteiintern schriftlich verpflichtet hatten.

Tsipras gegen Bündnis mit Opposition

Die Oppositionsparteien, allen voran die Konservativen, sind freilich nicht bereit, sich ohne politische Gegenleistung die Sparmaßnahmen und die dazugehörigen politischen Kosten aufbürden zu lassen. Wolle der Ministerpräsident eine Zusammenarbeit, die über die Zustimmung zu den Spar- und Reformpaketen hinausgehe, dann müsse ein gemeinsamer politischer Fahrplan zum Abstimmungsverhalten auch bei anderen Fragen erarbeitet werden. Tsipras selbst hat allerdings schon sehr oft wiederholt, dass er nicht mit den „alten politischen Kräften“ zusammenarbeiten wolle. Nach seinem Rückzieher in Brüssel gehört es auch zur neuen Linie der Partei, dass man den Kampf gegen die „Oligarchie“ im Inland – also Steuerflucht und Steuergeschenke, die Verflechtung von Politik und Wirtschaft, die so typisch für die alte Nomenklatura ist – in den Vordergrund stellt. Der Regierungschef dürfte daher eine lockere Zusammenarbeit mit der Opposition vorziehen, verbunden mit der Durchführung von Neuwahlen zu einem für ihn günstigen Zeitpunkt. Bis dahin will er offenbar die eigene Fraktion wieder unter Kontrolle bringen.

Unter den Neinsagern waren, neben Lafazanis, vier weitere Regierungsmitglieder. Eine Regierungsumbildung noch im Lauf des Donnerstags war daher unumgänglich, nicht zuletzt, um den Gläubigern Glaubwürdigkeit zu signalisieren. Man konnte nicht von Abgeordneten, die im Parlament gegen Sparmaßnahmen stimmen, erwarten, dass sie diese dann als Minister umsetzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.