Tsipras schmeißt Kritiker aus der Regierung

Pensioners, Banks And Tourist Economy As Capital Controls Continue
Pensioners, Banks And Tourist Economy As Capital Controls Continue(c) Bloomberg (Kostas Tsironis)
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Der Premier bildet sein Regierungsteam um. Er wirft die Neinsager um Energieminister Lafazanis, den Wortführer des linken Syriza-Flügels, wegen unsolidarischem Verhalten aus dem Kabinett.

Die Natur machte Premier Alexis Tsipras vom radikalen Linksbündnis Syriza am Freitag erst einmal einen Strich durch den Zeitplan. Die Hitze und starke Nordwinde führten zu Großfeuern am Hymettos bei Athen und in Lakonien auf dem Peloponnes. Tsipras eilte in die Einsatzzentrale der Feuerwehr und beschäftigte sich mit dem Katastropheneinsatz anstatt mit der Umbildung seiner Regierung. Das gab auch Noch-Industrieminister Panagiotis Lafazanis, Anführer der Syriza-Rebellen, die Gelegenheit, sich am Schauplatz des Feuers in Attika zu zeigen. Als Lafazanis ein Interview vor dem Hintergrund der Flammen gab, wurde er von den Anrainern beschimpft. Er sollte einen Wassereimer in die Hand nehmen und beim Löschen helfen, forderten die Menschen.

Am Freitagabend kam die Regierungsumbildung dann aber doch noch. Lafazanis musste abtreten, und mit ihm vier andere Regierungsmitglieder, die im Parlament gegen das Paket gestimmt hatten. An die Stelle von Linksaußen Lafazanis rückt der bisherige Arbeitsminister Panos Skourletis ins Superministerium für Industrie, Umwelt und Energie auf. Er ist ein treuer Parteigänger von Tsipras. Der bisherige Staatssekretär für öffentliche Verwaltung, der Rechtsanwalt Giorgos Katroungalos, wurde zum Arbeitsminister aufgewertet. Für Überraschung sorgte die Ablösung von Regierungssprecher Gavriil Sakellaridis durch die bisherige Parlamentssprecherin Olga Gerovasili, gilt er doch als Vertrauensmann von Tsipras. Sakellaridis tauschte mit Gerovasili und nimmt nun im Parlament Platz. Möglicherweise traut ihm der Premier zu, dass er die abtrünnigen Parlamentarier in seinem Sinne auf Linie bringt.

Aufgewertet wurde der Koalitionspartner von den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (Anel), der der Regierung bei der Abstimmung zum Sparpaket den Rücken gestärkt hatte. Der Schauspieler und Anel-Politiker Pavlos Chaikalis bekam das vakante, wichtige Amt des Staatssekretärs für Sozialversicherung; qualifiziert dafür ist er freilich nicht. Alle anderen Kernminister, etwa Finanzminister Efklidis Tsakalotos, Innenminister Voutsis oder Anel-Chef Panos Kammenos im Verteidigungsministerium, blieben auf ihren Posten. Offen bleibt, was mit der abtrünnigen Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou geschehen wird. Wenn sie nicht selbst ihren Hut nimmt, muss ein Misstrauensantrag im Parlament gegen sie eingebracht werden.

„Offene Wunde“

Innerhalb der Partei verschärfte der Premier deutlich den Ton. Aus seiner Umgebung wurde eine Stellungnahme veröffentlicht, in der er den Abtrünnigen der Syriza-Fraktion unsolidarisches Verhalten vorwarf. Während der Fraktionssitzung am Mittwoch habe er seine Parlamentarier aufgefordert, zur Frage Stellung zu nehmen, ob die Erpressung der Gläubiger mit dem Dilemma „Euro oder Drachme“ real oder vorgetäuscht sei.

Die 32 Abgeordneten der Fraktion, die gegen ihn votierten bezichtigte er, dass sie kein genossenschaftliches Verhalten und keine Solidarität gezeigt hätten. Sie hinterließen eine „offene Wunde“ in der Fraktion, weil er, Tsipras, nun gezwungen sei, den Abschluss der Vereinbarung mit den Gläubigern zu suchen, ohne über eine parlamentarische Mehrheit zu verfügen. Fraktionssprecher Nikos Filis setzte nach: Es dürfte keine „zwei Parteien“ innerhalb von Syriza geben, und zwar Anhänger des Euro und Anhänger der Drachme. Dies deutet darauf hin, dass – neben Maßnahmen gegen die abtrünnigen Abgeordneten – in den nächsten Monaten auch ein neuer Parteitag oder zumindest die Neubesetzung des Zentralkomitees der Partei ansteht. Angeblich sind die Tsipras-Anhänger in mehreren Lokalorganisationen inzwischen in die Minderheit geraten.

Wirtschaftslage dramatischer

Die Lage der Wirtschaft wird indessen aufgrund der seit nun schon zwei Wochen verhängten Kapitalkontrollen immer dramatischer. Die knappe Anhebung der Notfallkredite durch die Europäische Zentralbank um 900 Millionen Euro erlaubt keine Einschränkung der Kapitalkontrollen. Am Freitag wandte sich daher die Griechische Handels- und Industriekammer wegen der uneingelösten Schecks der Firmen an die Regierung. Die Schließung der Banken habe einen starken Rückstau bei der Einlösung von Schecks ausgelöst. Wenn nach der Öffnung der Banken, mit der im Lauf der nächsten Woche gerechnet wird, all diese Schecks auf einmal eingelöst würden, seien viele Firmen überfordert. Die Kammer forderte eine Verlängerung der Frist für die Bezahlung der Schecks.
Gerade die Unternehmen werden von den neuen Sparmaßnahmen, etwa der Erhöhung der Mehrwertsteuer, schwer getroffen. Sie dürften den Konsum und die Umsätze weiter drosseln und Steuerflucht befeuern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2015)

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