"Varoufakis teuerster Finanzminister der Geschichte"

File photo of Greek PM Tsipras and Finance Minister Varoufakis talking during the first round of a presidential vote at the Greek parliament in Athens
File photo of Greek PM Tsipras and Finance Minister Varoufakis talking during the first round of a presidential vote at the Greek parliament in AthensREUTERS
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Die Wirtschaftsdaten von Griechenland sind seit Jahresbeginn eingebrochen. Die Verzögerungstaktik der Tsipras-Regierung kostete den Pleitestaat Milliarden.

Viele Ökonomen scheuen die Antwort auf die Frage, wie viel Geld die Links-Regierung von Alexis Tsipras die griechische Wirtschaft gekostet hat. Es gibt aber einige Fakten, dass sich die Wirtschaftsdaten in den vergangenen Monaten extrem verschlechtert haben. An der Athener Börse sind die Kurse abgestürzt. Und die Banken des Landes waren vergangenes Jahr im EZB-Stresstest nicht besonders auffällig. Jetzt hatten sie drei Wochen geschlossen, Kapitalkontrollen sichern ihr Überleben. Sie sind zudem auf Liquiditätshilfen der Notenbank angewiesen und brauchen vermutlich 25 Mrd. Euro frisches Kapital.

Die seit Jänner amtierende Tsipras-Regierung wollte den Geldgebern für das hochverschuldete Land weitere Hilfen abverlangen. Diese Maßnahmen sollen eigentlich mehr Wettbewerbsfähigkeit für die griechische Wirtschaft bringen und das Staatsbudget solider machen. Doch haben sie aus Sicht von Tsipras zum Gegenteil geführt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist seit Beginn der Krise um etwa ein Viertel eingebrochen und die Arbeitslosigkeit mit rund 25 Prozent so hoch ist wie in sonst keinem anderen Land der Eurozone. Lange bewegte sich nichts in den Verhandlungen zwischen Athen und den Gläubigern. Am Ende gab Tsipras dann doch nach, weil der Staatsbankrott unmittelbar drohte. Der 40-Jährige akzeptierte weitere Spar- und Reformauflagen, etwa eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und Änderungen im Pensionssystem.

Kollisionskurs erfolglos

Die monatelange Hängepartie hatte allerdings ihren Preis: Reuters-Berechnungen zufolge mindestens 63 Mrd. Euro, mehr als ein Viertel der Wirtschaftskraft des Landes. Diese Summe basiert auf Prognosen und publizierten Daten der Gläubiger und anderer Institutionen. Die Tatsache, dass ein "Grexit" auf Zeit im Gespräch gewesen sei, werde bei Investments aus dem Ausland auf absehbare Zeit mitberücksichtigt werden müssen, so der Chef-Ökonom der Deutschen Bank für die Eurozone, Mark Wall.

Der Kollisionskurs der Tsipras-Regierung sei nicht gerade von Erfolg gekrönt gewesen, sagt Christoph Weil, der die Euro-Rettungspolitik für die Commerzbank analysiert. "Die griechische Wirtschaft ist klar in einer Rezession. In den ersten beiden Quartalen 2015 ist dies eindeutig ein Ergebnis der griechischen Regierungspolitik."

Kapitalkontrollen verschlechterten Situation

Nach Analysen der EU-Kommission und des Internationalen Währungsfonds (IWF) hat sich die Konjunktur vor allem im Juli massiv verschlechtert, als die Kapitalkontrollen eingeführt wurden, damit die Griechen ihre Bankkonten nicht leerräumen können. Die Negativ-Spirale habe ausschließlich politische Gründe, sagt ein EU-Vertreter, der nicht namentlich genannt werden will. "Unsicherheit" laute das Zauberwort - in den Unternehmen und bei Investoren. "Varoufakis war der teuerste Finanzminister in der Geschichte", so ein EU-Vertreter mit Blick auf den mittlerweile zurückgetretenen, marxistisch orientierten Politiker.

Yanis Varoufakis und Tsipras hatten mit Maximalforderungen immer wieder für Verärgerung bei den Geldgebern gesorgt. Tsipras zögerte auch immer wieder in den Verhandlungen. Mehrfach schien es, als stimme er einem Kompromiss zu, sagen Personen mit direkten Kenntnissen der Gespräche. Dann habe er die ohnehin schon zähen Verhandlungen aber verlassen, um sich mit Vertrauten aus seinem Syriza-Bündnis zu beraten. Am Ende seien die Bedingungen der Gläubiger stets inakzeptabel gewesen - und die Verhandlungen gingen wieder von vorne los.

Anstieg von 53 auf 86 Mrd. Euro

Diese Verzögerungstaktik habe Griechenland allein in den vergangenen drei Wochen rund 30 Mrd. Euro gekostet, sagt ein hochrangiger EU-Vertreter. Die letztliche Einigung hätte auch Ende Juni im Rahmen des zweiten Hilfsprogramms erzielt werden können. Dann hätten die Banken nicht schließen müssen, was die Finanzierung der Firmen verschlechterte. Erst vor einigen Wochen habe Athen noch um neue Hilfen in Höhe von 53 Mrd. Euro gebeten. Bei den anstehenden Detail-Verhandlungen für ein drittes Rettungspaket gehe es nun aber um bis zu 86 Mrd. Euro.

Tsipras ist anders groß geworden als viele europäische Politker und engagierte sich bereits mit 14 Jahren in der Nachwuchsorganisation der Kommunistischen Partei, wechselte später zu einer etwas moderateren Organisation, die schließlich zur Syriza wurde. Welch ein Kontrast zum erzkonservativen deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble, der auf Einhaltung aller Regeln und Absprachen in der EU besteht und Griechenland auch notfalls für einige Jahre aus dem Euro schicken wollte.

Börse schrumpfte um ein Viertel

Auch Schäuble, der mit Deutschland den größten Hellas-Gläubiger in der Eurozone vertritt, hat der Regierung in Athen vorgeworfen, mit ihrem Kurs die eigene Wirtschaft zu schaden. Im vergangenen November prognostizierte die EU-Kommission für die griechische Wirtschaft noch ein Wachstum von 2,9 Prozent für 2015, nachdem es 2014 zu einem Prozent gereicht hatte und das Land auch am Kapitalmarkt langsam wieder Fuß fasste. 2016 sollte sogar ein Plus von 3,7 Prozent herausspringen. Das ist jetzt Schnee von gestern. Nun gehen die Gläubiger davon aus, dass die Wirtschaft dieses Jahr um bis zu vier Prozent schrumpft. Ökonomen zufolge macht dieser Unterschied 2015 fast 13 Mrd. Euro aus. 2016 dürften es noch einmal knapp 10 Mrd. Euro sein.

Beispiel Börse: Die Marktkapitalisierung am Athener Aktienmarkt summierte sich im Dezember noch auf 64 Mrd. Euro. Bis Ende Juni wurde davon ein Viertel vernichtet. Schließlich setzte die Regierung den Handel aus. Am Anleihemarkt konnte Griechenland im April 2014 fünfjährige Staatspapiere platzieren - zu einem Zins von 4,95 Prozent. Damals keimte Hoffnung auf und es investierten vor allem Anleger aus dem Ausland. Mittlerweile ist die Regierung de facto wieder abgeschnitten vom Kapitalmarkt - und Besserung nicht in Sicht.

(APA/Reuters)

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