Eurokrise: Hält Griechenland seine Zusagen auch ein?

(c) REUTERS (ALKIS KONSTANTINIDIS)
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Die Experten der Troika sind in Athen eingetroffen – einige Ministerien dürfen sie aber nach wie vor nicht betreten.

Athen/Brüssel/Wien. Sie sind zurück, obwohl sie nicht mehr so heißen dürfen wie bisher – die Rede ist von den Experten der drei Geldgeber Griechenlands, die vormals als Troika bekannt waren: EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds. Das Eintreffen der Fachleute am gestrigen Montag in Athen markiert den offiziellen Beginn der Verhandlungen um ein drittes Hilfspaket für das überschuldete Euromitglied. Um welche Summe es geht, ist allerdings noch nicht genau klar: In der beim Sondergipfel in Brüssel am 12. Juli erzielten Übereinkunft ist von einem Volumen von 84 bis 86 Mrd. Euro die Rede. Doch angesichts der Tatsache, dass Griechenland in den vergangenen Monaten erneut in die Rezession gerutscht ist, könnte sich dieser Betrag als zu niedrig erweisen – vor allem dann, wenn Athen dazu gezwungen sein sollte, Teile des Bankensystems zu rekapitalisieren bzw. abzuwickeln.

Im Juni sind die Einlagen in den griechischen Banken nach Angaben der EZB um rund acht Mrd. auf knapp 130 Mrd. Euro gesunken – den niedrigsten Stand seit zwölf Jahren. Durch die politischen Volten der Links-rechts-Regierung von Premier Alexis Tsipras verunsichert, hatten viele Griechen ihre Ersparnisse in die Sicherheit gebracht. Die Einigung in Brüssel sowie das darauf folgende Eingreifen der Zentralbank haben die Lage einigermaßen stabilisiert.

Wie lang diese Ruhe anhält, muss sich aber noch weisen. Athen will bekanntlich die Verhandlungen bis zum 12. August abschließen – denn am 20. August muss Athen der EZB 3,4 Mrd. Euro zurückzahlen, was ohne Hilfsgelder nicht machbar ist. Doch von Konsens fehlt bis dato jede Spur – selbst über den Verhandlungsort in Athen wurde zuletzt gefeilscht, denn die Griechen wollen die ausländischen Experten offenbar nach wie vor nicht in ihre Ministerien lassen. Wie die „Financial Times“ berichtet hat, bleibt den Verhandlern der Zutritt zu Arbeits- und Gesundheitsministerium verwehrt. Demnach habe die griechische Notenbank ihre Räumlichkeiten angeboten. Seit Juli 2014 war die Troika in Athen nicht mehr willkommen.

„Mittelfristige Benchmarks“

Das größere Problem betrifft indes die geforderten Strukturreformen. Nach Athener Lesart wurden alle Vorbedingungen für das dritte Hilfsprogramm mit den am 15. und 22. Juli beschlossenen Maßnahmen (darunter etwa die Übernahme der EU-Bankenabwicklungsrichtlinie ins griechische Recht) erfüllt. Die Geldgeber wiederum verweisen auf das Brüsseler Gipfelkommuniqué vom 13. Juli, in dem von „mittelfristigen strukturellen Benchmarks“ die Rede ist, und fordern weitere Reformschritte. Griechenland hat sich unter anderem zur Liberalisierung des Arbeitsmarkts, Privatisierung der Stromnetze und Schaffung eines Treuhandfonds für griechischen Staatsbesitz verpflichtet.

Während die griechischen Bücher für die Prüfer geöffnet wurden, sorgte der Anfang Juli zurückgetretene Finanzminister Yanis Varoufakis (wieder einmal) für Schlagzeilen. Nach Medienberichten soll Varoufakis gemeinsam mit einem fünfköpfigen Team geplant haben, das EDV-System des griechischen Finanzministeriums zu knacken, um an die Steuerdaten des Landes zu kommen – Ziel der streng geheimen Operation wäre demnach der Aufbau einer Parallelwährung gewesen. Demnach habe Varoufakis in einer Telefonkonferenz mit Finanzinvestoren in London zugegeben, dass Premier Tsipras über diesen Plan B informiert gewesen sei. Am Montag hieß es aus dem Finanzministerium in Athen, dass derartige Pläne bei Sitzungen der griechischen Regierung nie zur Sprache gekommen seien. Gänzlich unplausibel klingt der Bericht allerdings nicht. Gemäß eines hochrangigen Brüsseler Diplomaten, der mit Varoufakis direkt verhandelt hat, soll der Finanzminister zugegeben haben, dass er in seinem Ressort nur einer Handvoll Personen vertraue und sonst an den Finanzbeamten vorbeiarbeite.

Auf einen Blick

Beim Sondergipfel am 12. und 13. Juli in Brüssel einigten sich Griechenland und der Rest der Eurozone auf Verhandlungen über ein drittes, 84 bis 86 Mrd. Euro schweres Hilfspaket. Im Gegenzug ist Athen zahlreiche Verpflichtungen eingegangen. Dazu zählen unter anderem die Einrichtung eines Treuhandfonds für Staatsbesitz, eine Reform des Arbeitsmarkts, die Privatisierung der Stromnetze, die Liberalisierung des Einzelhandels, die Entpolitisierung der Verwaltung sowie das Rückgängigmachen von Gesetzen, die gegen bisherige Abkommen mit den Gläubigern verstoßen haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2015)

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