Großes Vertrauensdefizit im Süden der EU

Studie. Im Vertrauensindex des IW Köln belegt Griechenland den letzten Platz, auch Portugal und Italien schneiden schlecht ab.

Köln. Mit Defiziten müssen nicht nur die Finanzminister der krisengeschüttelten Mitgliedstaaten der Eurozone kämpfen – auch in deren Vertrauensbilanzen klaffen tiefe Löcher. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, das am gestrigen Dienstag zum ersten Mal einen gesamteuropäischen Vertrauensindex präsentiert hat. 20 EU-Mitglieder hat das Team rund um Professor Dominik Enste unter die Lupe genommen, statistisches Material ausgewertet und eine Zeitreihe von 2000 bis 2014 erstellt. Der Befund: Dort, wo die Eurokrise besonders hart zugeschlagen hat, ist auch das Vertrauen besonders niedrig.

Die IW-Experten haben drei Komponenten untersucht: Vertrauen in das politische System, in die Wirtschaft und in die Gesellschaft. In allen drei Kategorien ist das bis über beide Ohren verschuldete Griechenland Schlusslicht – dabei ist das Land im Jahr 2000 noch auf Rang 15 gelegen. An der vorletzten Stelle im Gesamtindex liegt Portugal, Italien belegt den drittletzten Platz. Auf den drei Spitzenplätzen befinden sich Dänemark (91), Schweden (88) und Finnland (83), Österreich rangiert mit 67Punkten hinter Deutschland (70) auf Platz acht.

Besonders wenig Vertrauen genießt in Griechenland die Politik. Auf einer Skala von null bis hundert notiert der griechische Index des politischen Vertrauens bei drei Punkten. Zum Vergleich: In Dänemark sind es 92, in Österreich 67 und in Deutschland 73Punkte. Detail am Rande: Das Vertrauen der deutschen Bürger in das Wirtschaftssystem ihres Landes ist mit 81Punkten (Rang vier) überdurchschnittlich hoch.

Studienautor Enste warnt allerdings vor der Überinterpretation der schlechten südeuropäischen Ergebnisse: „Das Misstrauen richtet sich gegen das politische und wirtschaftliche System. In den Familien und Freundeskreisen kann in diesen Ländern dennoch ein hohes Vertrauensniveau herrschen.“ (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2015)

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