Flüchtlinge dürfen nach Österreich

Migrants march along the highway towards the border with Austria
Migrants march along the highway towards the border with Austria(c) REUTERS (LASZLO BALOGH)
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Hunderte Asylwerber zogen am Freitag zu Fuß von Budapest in Richtung Österreich los. Ungarn bot an, sie mit Bussen an die Grenze zu bringen. Die österreichischen Behörden lassen sie nun ins Land.

Wien/Budapest. Es war ein Tag mit vielen Wendungen. Und am Ende mit einer Lösung, wie sie so typisch für den bisherigen Umgang mit der Flüchtlingskrise ist. Österreich lässt die Flüchtlinge, die aus Ungarn in Richtung Westen ziehen, ins Land. Hier können sie entweder einen Asylantrag stellen oder, was weitaus häufiger vorkommen dürfte, ihre Reise nach Deutschland fortsetzen. Die Wende kam spätabends mit einer Ankündigung der ungarischen Regierung, die Flüchtlinge mit Bussen an die österreichische Grenze transportieren zu wollen – man warte diesbezüglich auf eine Stellungnahme aus Österreich.

Und die kam einerseits mit einem Statement von Bundeskanzler Werner Faymann: „Wir werden die Menschen in dieser Notsituation nicht im Stich lassen.“ Und andererseits mit einer Auskunft aus dem Innenministerium: Die Polizei werde ihren Einsatz im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung und unter besonderer Beachtung der Verhältnismäßigkeit durchführen. Soll heißen – die Flüchtlinge dürfen die Grenze nach Österreich passieren, im Land werde man sich um sie kümmern. „Wenn ein Asylantrag gestellt wird, wird er entgegengenommen“, sagte ein Sprecher des Ministeriums zur „Presse“. Ergänzt mit der Formel: „Eine lückenlose Kontrolle wird nicht möglich sein.“ Das ist die Chiffre dafür, dass man die Flüchtlinge unbehelligt ihren Weg fortsetzen lässt. Das weitere Vorgehen, hieß es, werde auch eng mit Deutschland abgestimmt.
All dem vorangegangen war ein Geduldspiel am Budapester Ostbahnhof (Keleti). Rund 1000 Menschen, darunter Familien mit Kindern, brachen trotz schwülen Wetters auf, um über die ungarische Autobahn M1 (die in die österreichische A4 mündet) zu Fuß nach Österreich zu marschieren. Viele schwenkten EU-Fahnen und Bilder von Angela Merkel. Die deutsche Kanzlerin hatte in der Vorwoche angekündigt, alle syrischen Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen zu wollen (die Aussagen wurden von ihrem Sprecher später relativiert). Auf Twitter berichteten Teilnehmer unter dem Schlagwort #MigrantMarch live von dem Treck.

Bei einem Durchschnittstempo von vier km/h, so wurde geschätzt, würden sie etwa 44 Stunden für die 170 Kilometer bis Hegyeshalom an der ungarisch-österreichischen Grenze benötigen. Da auch viele Kinder unter den Marschierenden waren, würde es aber vermutlich mehrere Tage dauern. Lange herrschte Ungewissheit, wie es weitergehen würde. Schließlich forderte das ungarische Außenministerium am Freitagabend Österreich zu einer Stellungnahme auf. Laut dem ungarischen Kanzleiminister Janos Lazar hatte Premier Viktor Orban mehrfach versucht, mit Bundeskanzler Werner Faymann zu telefonieren und ihm auch eine eine offizielle Note gesandt. Faymann habe Orban aber wissen lassen, dass er seinen Anruf nicht vor 9 Uhr am Samstag annehmen könne, berichtete die Ungarische Nachrichtenagentur MTI.

Busse an die Grenze

Als Lazar schließlich verkündete, dass ein Parlamentsausschuss gerade beschlossen habe, dass die Flüchtlinge am Budapester Ostbahnhof und jene, die zu Fuß auf der M1 unterwegs sind, mit Bussen nach Österreich transportiert werden könnten, kam dann doch die Reaktion. Aus dem Innenministerium hieß es, dass man sich auf die Ankunft der Menschen vorbereite. Wann die Busse aus Ungarn eintreffen würden, war zunächst unklar. Die Wiener Stadtregierung kündigte an, dass der Katastrophenzug der Stadt für den Einsatz an der Grenze freigegeben sei.

Damit scheint sich die Situation etwas zu entspannen. Zuvor hatten Flüchtlinge die Angst geäußert, dass sie von der ungarischen Polizei in ein Flüchtlingslager getrieben werden. Dies war am Vortag mit dem Zug Richtung Sopron geschehen, den die Polizei in der Ortschaft Bicske stoppte, um 500 Flüchtlinge mit Bussen ins nahe Flüchtlingslager zu transportieren. Die Asylwerber weigerten sich zunächst, den Zug zu verlassen. Im Lager setzten sie ihren passiven Widerstand zunächst fort. Sie lehnten es sogar ab, von der Polizei Wasser und Nahrung entgegenzunehmen. Immer wieder skandierten sie „Germany, Germany“. Auch versuchten rund 300 Flüchtlinge, aus dem Zug über die Schienen in die nahe gelegenen Wälder und weiter in Richtung österreichischer Grenze zu fliehen. Ein 50-jähriger Pakistani kollabierte dabei auf den Gleisen und starb.

Auf dem Bahnhof Keleti war es am Nachmittag zu einem Handgemenge zwischen ungarischen Hooligans und Flüchtlingen gekommen. Mehrere Rowdys wurden festgenommen. Sie waren gekommen, um vor dem EM-Qualifikationsspiel Ungarn – Rumänien rumänische Fans abzupassen.

Weitere Infos:www.diepresse.com/fluechtlinge

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2015)

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