Elfte Verhandlungsrunde: TTIP in den Mühlen der Ebene

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In Miami verhandeln EU- und US-Vertreter zum elften Mal über das Freihandelsabkommen. Die Gespräche sind auch wegen des öffentlichen Drucks zäh geworden.

Miami/Wien. Seit Montag sitzen sie sich in Miami wieder gegenüber. Die Verhandlungsdelegationen von EU und USA stecken in den Gesprächen weitgehend fest. Nachdem das geplante Abkommen zu Freihandel und Investitionen (TTIP) nicht wie geplant bis Ende des Jahres ausverhandelt werden kann, wird nun bereits der Herbst 2016 angepeilt. Doch auch dieser Fahrplan ist laut Regierungskreisen kaum noch zu halten.

Die Fortschritte sind bisher minimal. Einige der heiklen Kapitel musste die EU-Seite wegen der kritischen Stimmung in mehreren Mitgliedstaaten – darunter Österreich und Deutschland – aufschieben. Und selbst dort, wo kein öffentlicher Druck vorhanden ist, gibt es kaum Bewegung. So werden beide Seiten diese Woche neue Vorschläge für einen Abbau der noch bestehenden Zölle vorlegen. Das ist eigentlich ein Randthema, doch die erste Runde hat ergeben, dass die USA bei weit mehr sensiblen Waren tarifäre Schranken behalten möchten als die EU.

Ein weiteres Thema in dieser Verhandlungsrunde ist die öffentliche Auftragsvergabe. Hier geht es um eine Öffnung des Beschaffungswesens für Anbieter des jeweils anderen Handelspartners. Auch hier, so wird in Brüssel behauptet, gebe es vor allem Widerstand aus einigen US-Bundesstaaten.

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Sind es in den USA Einzel- und Regionalinteressen, die einen Fortschritt behindern, so ist es in der EU eine wachsende Skepsis in der Bevölkerung. Deshalb bleibt etwa das sensible Thema der Schiedsgerichte zur Abwicklung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Einzelstaaten vorerst auf Eis gelegt. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hat zwar einen neuen Vorschlag zur Besetzung dieser Schlichtungsstelle mit professionellen Richtern erarbeitet, die Details sind aber nach wie vor offen.Mühsam gestalten sich die Gespräche zur gegenseitigen Anerkennung von Standards. Dabei geht es beispielsweise um Sicherheitsvorschriften für Kraftfahrzeuge, aber auch um Prüfverfahren für Medikamente und Chemikalien. Die Idee ist, dass Waren, die ein ähnliches Zulassungsverfahren in den USA wie in Europa durchlaufen, in beiden Märkten anerkannt werden. Derzeit wird geprüft, welche Standards bereits ähnlich sind und für welche es gemeinsame Regeln geben muss. Bis Anfang 2016 sollen alle Vorschläge zur Angleichung auf dem Tisch liegen. Dann erst beginnen die Detailverhandlungen.

Nivellierte Standards

TTIP-Kritiker fürchten eine Senkung der Standards im Umwelt-, Konsumentenschutz und Sozialbereich. Der Leiter der EU-Vertretung in Österreich, Jörg Wojan, versuchte diese Woche, solche Sorgen zu zerstreuen. Eine Absenkung von Standards jeglicher Art sei auf Grundlage des Verhandlungsmandats der EU-Mitgliedstaaten an die EU-Kommission gar nicht möglich.

Heikel werden die Verhandlungen zu öffentlichen Dienstleistungen. Die EU-Kommission will festschreiben, dass öffentliches Gesundheits- und Sozialwesen, Bildung und Wasserversorgung von einer Liberalisierung ausgenommen werden. Für den Rest müssen aber noch gemeinsame Regeln fixiert werden. Das vielleicht heikelste Kapitel der TTIP-Verhandlungen, die Landwirtschaft, ist einstweilen noch nicht einmal geöffnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2015)

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