Eurokrise: Reform-Feinschliff in Athen

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Währungskommissar Pierre Moscovici auf Lokalaugenschein in Griechenland. Griechische Banken brauchen 14 Mrd. Euro.

Brüssel/Athen. Angesichts der Nachrichtenlage mag man es kaum für möglich halten, doch es gibt in der EU nach wie vor ein Leben abseits der Flüchtlingskrise – beispielsweise in Griechenland, wo die Banken auf der Suche nach frischem Geld und die Links-rechts-Koalitionäre von Syriza und Anel auf der Suche nach Reformideen sind. Am heutigen Dienstag wird der für Wirtschafts- und Währungsfragen zuständige EU-Kommissar, Pierre Moscovici, in Athen erwartet, wo er bis Mittwoch verweilen und unter anderem mit Premierminister Alexis Tsipras und Wirtschaftsminister Euklid Tsakalotos über die finanzpolitische Lage beraten wird.

Nachdem das griechische Parlament Mitte Oktober ein Reformpaket abgesegnet hat, gibt es de facto keine Hindernisse mehr auf dem Weg zur Auszahlung von Hilfsgeldern aus dem im Sommer vereinbarten 86 Mrd. Euro schweren dritten Hilfspaket für das am höchsten verschuldete Mitglied der Eurozone – wobei bis zuletzt nicht klar war, ob der Internationale Währungsfonds auch dieses Mal mit an Bord sein wird. Der IWF pocht bekanntlich auf eine Entschuldung Griechenlands – ansonst raten Experten des Fonds von einer Teilnahme ab, da Athen ihrer Ansicht nach niemals in der Lage sein wird, die Schuldenlast (derzeit sind es rund 175 Prozent des BIPs) zu reduzieren. In einem Interview mit der griechischen Tageszeitung „Ekathimerini“ bekräftigte IWF-Vizedirektor David Lipton die Vorbehalte: Der Fonds brauche „mehr als allgemeine Beteuerungen“, dass die Frage der griechischen Schulden positiv beantwortet wird. Die Krux: Deutschland will einerseits nichts von einem Schuldenschnitt wissen, beharrt aber zugleich auf einer Teilnahme des IWF.

Positive Nachrichten gab es am Wochenende indes von den Banken: Mit maximal 14,4 Mrd. Euro bezifferte die mit der Untersuchung der griechischen Institute betraute Europäische Zentralbank den Kapitalbedarf im schlimmsten Fall. Da der Betrag unter den Erwartungen der Marktteilnehmer lag (im Vorfeld war von bis zu 25 Mrd. Euro die Rede), feierten die griechischen Banken am gestrigen Montag im Tagesverlauf teils deutliche Kursgewinne an der Athener Börse. Das Gros des benötigten Kapitals soll der staatliche griechische Rettungsfonds HFSF beisteuern, der mit einem Teil der EU-Hilfsgelder Aktien und Anleihen der Institute erwerben wird. (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2015)

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