EU fordert von Ländern des Westbalkans mehr Anstrengungen

Fortschrittsberichte. Kommission stellt (potenziellen) Beitrittskandidaten durchwachsenes Zeugnis aus.

Wien/Brüssel. Nicht nur der Fortschrittsbericht der Türkei, auch die Evaluierung aller anderen (potenziellen) Kandidatenländer wurde am gestrigen Dienstag von der Kommission mit mehreren Wochen Verspätung veröffentlicht. Der Befund fällt wie in fast jedem Jahr eher durchwachsen aus, wie eine Zusammenfassung der „Presse“ zeigt.

Serbien. Erweiterungskommissar Johannes Hahn attestiert Serbien zwar „große Schritte in den Beitrittsverhandlungen“: So verzeichnet der EU-Bericht mehrere Fortschritte bei Justizreformen; der Rechtsrahmen für die Korruptionsbekämpfung und der Kampf gegen die organisierte Kriminalität seien verbessert worden. Dennoch ist die weitverbreitete Korruption noch immer ein Hindernis für die Wirtschaft, kritisiert die Kommission. Systematische Anstrengungen müssten von Belgrad auch noch unternommen werden, um die Rechte diskriminierter Menschen wie Roma sowie Lesben, Schwuler, Bi-, Trans-und Intersexueller zu schützen. Mehr müsse Serbien auch noch tun, um volle Meinungsfreiheit sicherzustellen. In der Flüchtlingskrise stellt Brüssel Belgrad ein „relativ gutes“ Zeugnis aus – und das, obwohl Serbien von einem unvorhergesehenen Andrang von Schutzsuchenden betroffen ist. Allerdings, schränkte der Bericht ein, müsste das Land weitere Anstrengungen zur Verbesserung des Asylsystems und der Aufnahmekapazitäten unternehmen. Serbien ist seit 2012 Beitrittskandidat der EU, bisher wurde noch kein Verhandlungskapitel eröffnet.

Montenegro.
Schon zwei Jahre länger, seit dem Jahr 2010, hat Montenegro den Status eines Kandidatenlandes. Auch Podgorica darf sich über etwas Lob aus der Behörde in Brüssel freuen – wenngleich dieses wie bei Serbien nicht ungetrübt ausfällt. Das Land müsse seine Institutionen stärken und mehr Ergebnisse bei der Bekämpfung von Korruption und organisiertem Verbrechen aufweisen, fordert die Kommission. Bisher wurden mit Montenegro acht Verhandlungskapitel eröffnet – darunter die heiklen Themen Justiz, Freiheit und Sicherheit.


Albanien. Erst seit dem vergangenen Jahr ist Albanien offiziell ein Kandidat für eine EU-Mitgliedschaft. Die EU-Kommission verweist zwar auf Fortschritte bei Reformen des albanischen Justizsystems, zeigt aber auch auf, dass noch weitere Änderungen notwendig seien. So müsste die staatliche Verwaltung effizienter werden und entpolitisiert. Es seien weitere Schritte im Kampf gegen das organisierte Verbrechen notwendig. Außerdem brauche es Maßnahmen zum Schutz von Grundrechten etwa für Roma. Der Bericht fordert darüber hinaus auch wirtschaftliche Reformen ein, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu erhöhen.

Mazedonien. Der EU-Bericht knüpft die Empfehlung für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit dem langjährigen Beitrittskandidaten Mazedonien diesmal an eine Umsetzung der politischen Vereinbarung, die im vergangenen Sommer getroffen wurde. Doch der Beitrittsprozess steckt laut Kommission nach wie vor in einer Sackgasse. Mangelnde Pressefreiheit, Korruption und die justizielle Unabhängigkeit werden infrage gestellt. Die Verhandlungen wurden bisher nicht eröffnet.

Auch für die potenziellen Kandidatenländer Bosnien und Herzegowina sowie den Kosovo stellte die Kommission Fortschrittsberichte vor. Mit Priština wurde im Oktober ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen unterzeichnet; im Juni trat ein solches Abkommen mit Bosnien in Kraft. (aga/wb/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2015)

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