Kernkraft: EU leitet Prüfung gegen ungarisches AKW ein

HUNGARY NUCLEAR WASTE STORAGE
HUNGARY NUCLEAR WASTE STORAGE(c) Tamas Soki / MTI / picturedesk.c (Tamas Soki)
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Die Kommission hat eine eingehende beihilfenrechtliche Untersuchung der Pläne Budapests in die Wege geleitet, staatliche Finanzmittel für den Bau zweier neuer Kernreaktoren in Paks bereitzustellen.

Brüssel/Straßburg. Eigentlich ist Energiepolitik Sache der EU-Mitgliedstaaten. Doch wenn es um die Finanzierung von Kernkraftwerken geht, wird die EU-Kommission immer wieder hellhörig, denn Kernkraft ist bekanntlich teuer, riskant – eine aus unternehmerischer Sicht heikle Investition, die entsprechend abgesichert werden muss. Die Brüsseler Behörde hat nun Ungarn in Verdacht, zu viel unternommen zu haben, um den Bau eines Meilers zu garantieren. Die Kommission leitete eine Prüfung des Projekts Paks II ein: Die geplante Errichtung von zwei Reaktoren mache eine „komplexe Analyse“ erforderlich, sagte die mit Wettbewerbsfragen betraute EU-Kommissarin Margarethe Vestager – konkret geht es darum zu prüfen, ob Paks II ohne staatliche Stützung nach denselben Kriterien und Parametern errichtet werden könnte.

In Brüssel hegt man den gegenteiligen Verdacht. Der jüngste Beschluss ist der zweite Schlag gegen die Investition: Vergangene Woche leitete die Kommission bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn im Zusammenhang mit Paks ein. Es geht um den Vorwurf, die ungarische Regierung habe den Bauauftrag freihändig vergeben – und zwar an Russland, das die besondere Sympathie des ungarischen Regierungschefs, Viktor Orbán, genießt. Mit der Errichtung der Reaktorblöcke betraut wurde der staatliche russische Konzern Rosatom, der Paks II künftig auch exklusiv mit Brennstäben beliefern soll. Abgerundet wird der Auftrag mit einem zehn Milliarden Euro schweren russischen Kredit an Budapest, der die Finanzierung gewährleisten soll.

Budapest will vor EuGH ziehen

Budapest hat zwei Monate Zeit, um die EU-Vorwürfe zu entkräften. Nach Orbáns Aussagen zu urteilen, dürfte sich die Regierung allerdings nicht kampflos fügen: Hinter den Verfahren stünden westliche Wirtschaftsinteressen, wetterte der Regierungschef in seiner wöchentlichen Radiosendung, während Kanzleramtsminister Janos Lager ankündigte, notfalls vor den EuGH zu ziehen. Die Angelegenheit ist heikel, weil sie mehrere wunde Stellen tangiert. Erstens ist das Verhältnis EU/Ungarn zerrüttet, Kritiker des Orbán-Regimes sehen sich bestätigt und warnen davor, dass sich die Ungarn in eine gefährliche Abhängigkeit von Russland begeben – ein berechtigter Einwand, der die EU allerdings nicht tangieren dürfte, denn die Wahl des geeigneten Energiemix ist Kompetenz der Mitgliedstaaten. Während etwa Deutschland seine AKW vom Netz nimmt, plant Großbritannien den Bau eines Kernkraftwerks in Hinkley Point. Und zwar mit Unterstützung chinesischer Investoren in der Größenordnung von acht Mrd. Euro. Österreich lehnt Hinkley Point ab und hat gegen das Bauvorhaben vor dem EuGH geklagt. Wien wirft der Kommission vor, die staatlichen britischen Beihilfen für den Bau des Meilers unrechtmäßig genehmigt zu haben. Die Hoffnungen der EU-Abgeordneten Karin Kadenbach (SPÖ), die Bedenken der Kommission bei Paks II würden auch für Hinkley Point Auswirkungen haben, dürften sich jedoch nicht erfüllen. In Brüssel wies man darauf hin, dass EU-Beihilfeverfahren keine Präjudizwirkung hätten. (ag./la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2015)

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