Deutschland: Als Gerhard Schröder auf die große Bühne zurückkehrte

(c) APA/AFP/DPA/BERND VON JUTRCZENKA
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Ex-Kanzler Schröder war Stargast des SPD-Parteitags. Die Genossen begrüßten ihn verhalten - und jubelten am Ende seiner Rede.

Berlin. Draußen vor den Toren demonstriert eine Handvoll Menschen gegen das Freihandelsabkommen TTIP. Ein paar andere verteilen Zettel gegen Kampfdrohnen. Drinnen beschäftigt man sich mit der Flüchtlingskrise und dem Kampfeinsatz in Syrien. Das ist das Spannungsfeld, in dem sich die deutsche Sozialdemokratie derzeit bewegt.

„Sicher, gerecht, weltoffen.“ So will sich die SPD sehen. Nicht nur auf ihrem Bundesparteitag, den sie seit gestern auf dem Berliner Messegelände abhält. Sondern auch in Zukunft. Es ist Halbzeit in dieser Legislaturperiode. 2017 stehen die nächsten Bundestagswahlen an.

Man hat sich viel vorgenommen in diesen Tagen. Das Antragsbuch ist mehr als 800 Seiten dick. Gesundheitspolitik, Kommunales und Soziales – all das steht neben den aktuellen Krisen auch auf der Agenda.

Gesine Schwan ist gekommen und Otto Schily. Auch Gerhard Schröder ist dabei. Er hält eine Rede, die erste wichtige an diesem Tag, die erste seit acht Jahren. Beim Einzug des Altkanzlers applaudieren die Delegierten noch verhalten. Die Agenda 2010 nehmen ihm viele nach wie vor übel, sein Engagement für den russischen Staatskonzern Gazprom auch. Am Ende seiner Ausführungen sind die Delegierten bereits gelöster. Sie werden aufstehen und applaudieren. Parteichef Sigmar Gabriel wird seinen Platz verlassen, die beiden Männer werden lächeln und einander umarmen.

Unter Schröder gab es ein Nein zum Irak-Krieg. „Dieses Land wird unter meiner Führung für Abenteuer nicht zur Verfügung stehen“, sagte er im Sommer 2002. Doch die Zeiten haben sich geändert. In Deutschland sind in diesem Jahr nicht nur eine Million Flüchtlinge angekommen. Die Anschläge von Paris haben auch die außenpolitische Einstellung des Landes verändert. Frankreichs Bitte um Unterstützung endete schließlich mit der Entsendung von bis zu 1200 Soldaten Richtung Syrien. Erst vergangenen Freitag gab der Bundestag grünes Licht. Auch die Mehrheit der Sozialdemokraten stimmte zu. Lediglich 28 der 193 Abgeordneten votierten dagegen. Auf dem Parteitag holte sich die Parteispitze nun auch die Zustimmung der Basis.

„Ohne Frieden ist alles nichts“, sagte Schröder bei seinem Auftritt. Er blickte auf drei Größen der deutschen Sozialdemokratie zurück. Egon Bahr, Helmut Schmidt und Günter Grass, sie alle sind heuer verstorben. Ihr Tod rufe in Erinnerung, was „uns im Kern der Sozialdemokratie zusammenhält und was uns von anderen unterscheidet“, sagte Schröder. Er rief dazu auf, sich für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit einzusetzen. Der deutsche Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, verteidigte im Anschluss die Mission der Bundeswehr.

SPD kommt nicht vom Fleck

Für den amtierenden Parteichef, Sigmar Gabriel, geht es erst am heutigen Freitag ans Eingemachte. Der Wirtschaftsminister und Vizekanzler wird sich dann seiner Wiederwahl stellen. Gabriel steht seit 2009 an der Spitze seiner Partei, der beliebteste Sozialdemokrat ist er allerdings nicht. Als Herausforderer Merkels wird er 2017 wohl trotzdem ins Rennen gehen. Ob er gewinnen kann, bleibt allerdings fraglich.

Dabei konnte Gabriel in seiner Amtszeit viel durchsetzen. Und das, obwohl er mit einem konservativen Partner regiert. Mindestlohn, Rente mit 63, Mietpreisbremse, Frauenquote. All das geht auf das Konto der SPD. Im Gegenzug trug die Partei schärfere Asylgesetze mit, wiewohl sie hier immer wieder für mehr Menschlichkeit plädiert.

Die Wähler scheinen die Etappensiege ihrer Partei aber längst vergessen zu haben. Die Lösung wichtiger Probleme in der Flüchtlingskrise traut der SPD nur jeder fünfte Bundesbürger zu. Selbst innerhalb der Partei ist es nicht einmal jeder Zweite. Zulauf hat vor allem die rechtspopulistische AfD. Seit Längerem verharren die Sozialdemokraten in Umfragen bei rund 25 Prozent. Im Vergleich zur vorangegangenen Wahl ist das ein eher bescheidenes Ergebnis. Da erzielte man 25,7 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2015)

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