EU-Erweiterung: Startschuss für Serbien

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Dec 7 2015 Brussels Brussels Belgium Federica Mogherini Vice President of the Commission a(c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
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Brüssel und Belgrad beginnen mit Verhandlungen über Serbiens EU-Beitritt – dieser liegt allerdings noch in weiter Ferne.

Brüssel. Abseits aller krisenbedingten Aktivitäten nehmen manche Dinge in Brüssel auch im Vorfeld des EU-Gipfels am kommenden Donnerstag und Freitag ihren gewohnten Lauf. So wurde am gestrigen Montag die Erweiterungsagenda der Union ein Stück vorangebracht. In den offiziell seit Anfang 2014 laufenden Beitrittsverhandlungen mit Serbien eröffnete die Brüsseler Behörde die ersten zwei Kapitel: 32 (Finanzkontrolle) und 35 (Sonstiges). Vom womöglich revolutionärsten Datum in der jüngeren serbischen Geschichte sprach gestern Premierminister Aleksandar Vučić, von einem „guten Tag für die friedvolle Entwicklung in unserer Nachbarschaft“ der für die Nachbarschaftspolitik zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn – der von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sekundiert wurde: „Serbien hat sich das verdient.“

Dass die Verhandlungen langwierig sein dürften, ist allen Beteiligten bewusst – und zwar nicht nur aufgrund des legistisch-regulatorischen Aufholbedarfs in Serbien selbst, sondern auch wegen einer gewissen Materialermüdung innerhalb der EU. Bei seinem Amtsantritt im Vorjahr hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angekündigt, während seiner (ersten?) Amtsperiode werde die Union keine neuen Mitglieder aufnehmen. In Brüssel will man zuerst einmal das Haus Europa in Ordnung bringen und die krisengeplagten EU-Bürger nicht überfordern. Davon, dass die EU auf Zeit spielt, zeugt auch die Wahl des formal letzten Beitrittskapitels 35 – es umfasst nämlich das heikle Verhältnis Serbiens zu seiner ehemaligen Provinz Kosovo. Soll heißen: Ohne eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Belgrad und Priština wird es keine Verhandlungsfortschritte geben.

Verhandlungen mit der Türkei

Unter etwas anderen Vorzeichen eröffneten die Kommission und die Türkei ebenfalls gestern das EU-Beitrittskapitel 17 (Wirtschaft und Finanzen). Die Verhandlungen mit Ankara, die nicht zuletzt aufgrund der problematischen (Menschen-)Rechtslage seit Jahren auf Eis gelegen waren, wurden im Zuge der Flüchtlingskrise rasch wieder aufgetaut. Die EU ist auf türkische Hilfe angewiesen, denn der Großteil der syrischen Flüchtlinge bricht von der Türkei in Richtung EU auf. Damit Ankara den Flüchtlingsstrom drosselt und abgeschobene Migranten wieder zurücknimmt, hat Brüssel ein Paket geschnürt, das neben regelmäßigen Gipfeltreffen, finanzieller Unterstützung in Milliardenhöhe und der Aussicht auf die Abschaffung der Visapflicht auch die Wiederaufnahme der Beitrittsverhandlungen vorsieht. Ob die Türkei jemals der EU beitreten kann, hängt allerdings nicht nur vom Verhandlungserfolg ab: So haben die Regierungen von Frankreich und Österreich ihren Bürgern ein Referendum über den EU-Beitritt der Türkei versprochen. (ag./la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2015)

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