Antiterrorzentrum der EU für besseren Informationsaustausch

Europa in Alarmbereitschaft: Soldat auf einer Einkaufsstraße im Zentrum von Brüssel.
Europa in Alarmbereitschaft: Soldat auf einer Einkaufsstraße im Zentrum von Brüssel.(c) REUTERS (YVES HERMAN)
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Am 1. Jänner wird bei Polizeibehörde Europol Plattform mit nationalen Terrorexperten eröffnet.

Wien/Den Haag/Brüssel. Informationsaustausch ist das Schlüsselwort im Kampf gegen den internationalen Terrorismus: Große Hoffnungen werden deshalb auf das europäische Antiterrorzentrum bei der Polizeibehörde Europol, das am 1. Jänner in Den Haag eröffnet wird, gesetzt. Das Zentrum soll als Plattform für eine bessere Koordination der EU-Mitgliedstaaten dienen und sich auf Informationen über terroristische Gefährder, illegalen Waffenhandel und Terrorismusfinanzierung konzentrieren. Jedes Land wird Antiterrorismusexperten nach Den Haag entsenden, heißt es.

Sie sollen ein grenzüberschreitendes Ermittlungsteam bilden, das „schnelle Unterstützung bei der Untersuchung von Terrorattacken in der EU liefert“. Im heimischen Innenministerium sieht man die Pläne zwar grundsätzlich optimistisch – wenngleich Ministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bereits vor einigen Wochen mahnte, das Zentrum könne nur funktionieren, „wenn auch alle Mitgliedstaaten Informationen einmelden“.

Der EU-Kommission geht das Vorhaben ohnehin nicht weit genug: Die Brüsseler Behörde setzt sich langfristig für die Schaffung eines europäischen Geheimdienstes ein. „Ich glaube, dies ist der Moment, einen Schritt weiterzugehen“, sagte Innenkommissar Dimitris Avramopoulos wenige Tage nach den Terroranschlägen in Paris vom 13. November. „Wir müssen unsere Zusammenarbeit auf Vertrauen und Effizienz gründen.“

Skepsis gegen EU-Geheimdienst

Das Projekt hat vorerst aber wenige Chancen auf Umsetzung – die Geheimdienstarbeit fällt in die nationale Kompetenz der Mitgliedstaaten, und da soll sie, geht es nach einem Großteil der EU-Regierungen, auch bleiben: Mikl-Leitner zeigte sich über den Vorstoß – ebenso wie ihr deutscher Amtskollege, Thomas de Maizière, – skeptisch. In den Schlussfolgerungen des letzten EU-Gipfels vor Weihnachten heißt es deshalb auch, die Kooperation der Geheimdienste müsse vertieft werden; jedoch unter „voller Rücksichtnahme auf die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten für die nationale Sicherheit“.

Über andere Maßnahmen im gemeinsamen Antiterrorkampf herrscht unter den Regierungen hingegen Einigkeit. So haben die Innenminister bei einem von Frankreich initiierten Treffen Ende November die dauerhafte Verschärfung der Kontrollen an Europas Außengrenzen beschlossen: Auch EU-Bürger sollen künftig bei der Einreise in die Union systematisch kontrolliert, ihre Daten mit dem Schengener Informationssystem (SIS) abgeglichen werden. Bisher haben Grenzbeamte bei diesen Personen lediglich Gültigkeit und Echtheit des Reisedokuments überprüft.

Reisen zu Terrorzwecken unter Strafe

Jenen jungen Männern (und Frauen), die bisher mit ihrem europäischen Pass unerkannt nach Syrien reisten, sich dort in Terrorcamps radikalisieren und anschließend unerkannt in die EU zurückkehren konnten, soll auch mittels eines neuen Aktionsplans der Kommission der Garaus gemacht werden: Die Behörde will Reisen zu terroristischen Zwecken innerhalb und außerhalb der Union unter Strafe stellen; auch die Finanzierung, Organisation und Vermittlung soll demnach kriminalisiert werden.

Der Plan zielt zudem auf die Bekämpfung des illegalen Handels mit Feuerwaffen und Sprengstoff – so werden die Mitgliedstaaten angehalten, Untersuchungen auf dem Gebiet zu verschärfen und Kontrollen an den Grenzen zu intensivieren. Schusswaffen und Munition sollen zudem nicht mehr über das Internet verkauft werden dürfen.

Ein weiteres Langzeitprojekt der Union im Antiterrorkampf steht als Konsequenz der Paris-Attentate mittlerweile kurz vor der Umsetzung: Anfang Dezember haben sich Rat und EU-Parlament auf die Fluggastdatenspeicherung (PNR) geeinigt, die künftig auch für innereuropäische Flüge gelten soll. Das Plenum des Europaparlaments muss dem Kompromiss im Jänner noch den Sanktus geben – angesichts der allgemeinen Stimmungslage im Kampf gegen den Terror dürfte das Vorhaben trotz der Bedenken von Kritikern an der Massenüberwachung aber wohl mit breiter Mehrheit angenommen werden.

Auf einen Blick

Ein europäisches Antiterrorzentrum bei der Polizeibehörde Europol in Den Haag soll zum besseren Informationsaustausch der EU-Mitgliedstaaten im Kampf gegen den Terrorismus beitragen. Die einzelnen EU-Länder sollen Experten entsenden, die sich in Fragen der Terrorfinanzierung, des Waffenschmuggels und gefährlicher Personen untereinander austauschen. Pläne für einen gemeinsamen Geheimdienst der EU, wie sie die Kommission hegt, sind derweil eher unrealistisch: Bisher fällt die Geheimdienstarbeit in die nationale Kompetenz; viele Mitgliedstaaten wollen es dabei belassen. Einigkeit besteht beim stärkeren Schutz der Außengrenze und dem Fluggastdatenregister.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2015)

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