Gesetzgebung: Transparenz von EU-Deals am Pranger

Terror Alert Extended By A Week As Belgian Authorities Charge Suspect With Involvement In Paris Attacks
Terror Alert Extended By A Week As Belgian Authorities Charge Suspect With Involvement In Paris Attacks(c) Bloomberg (Jasper Juinen)
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Die Kommission will Entscheidungsprozesse in der Union deutlich offener gestalten. Auch die informellen Trilogverhandlungen werden unter die Lupe genommen.

Brüssel. Verheißungsvoll blickt der Kommissionssprecher vom Podium in den riesigen Pressesaal des Berlaymont-Gebäudes, doch die Fragen der Journalisten scheinen ihm zu missfallen: Es geht um das geplante EU/US-Handelsabkommen, wieder einmal. Die angeblich mangelnde Transparenz bei den Verhandlungen zählt bekanntlich zu den größten Kritikpunkten der TTIP-Gegner, und trotz weitreichender Zugeständnisse – alle EU-Abgeordneten haben neuerdings Zugang zu den Verhandlungsdokumenten, grundlegende Gesprächsprotokolle sind für Bürger im Internet einsehbar – bleiben Zweifel: Hält die Brüsseler Behörde wichtige Informationen zurück?

Über die Jahre hat sich die Kommission in der Bevölkerung den Ruf einer von Bürokratie getriebenen, undurchsichtigen Institution erarbeitet. Hoch bezahlte Beamte hecken Gesetze aus, die an der Lebensrealität der Bürger vorbeigehen, lautet der Tenor. Nicht unbedingt eine Auszeichnung für eine Behörde, die das Initiativrecht im EU-Gesetzgebungsverfahren innehat und als „Hüterin der Verträge“ agiert – steht doch in den Transparenzvorschriften festgeschrieben, dass die Institutionen „so offen und bürgernah wie möglich“ arbeiten sollen.

Abspeckkur für Gesetzgebung

Jean-Claude Juncker will diese Diskrepanz beseitigen, er hat das Thema Transparenz zur Top-Priorität ernannt. Als eine der wichtigsten Maßnahmen seiner Präsidentschaft kündigte der Kommissionschef an, die europäische Entscheidungsfindung zu verbessern – und zwar im Sinne einer Art Abspeckkur: Gesetze sollen für die Bürger verständlicher und einfacher handhabbar werden. „Die Beschlüsse der EU-Institutionen gehen uns alle an. Deswegen ergreifen wir Maßnahmen, die für mehr Offenheit, Transparenz und Kontrolle im Entscheidungsprozess sorgen“, erklärte Junckers Vize, Frans Timmermans.

Als konkrete Maßnahmen werden unter anderem die Folgenabschätzung während des Gesetzgebungsverfahrens und die ständige Überwachung von EU-Vorschriften genannt. Für Interessenvertreter sollen neue Möglichkeiten eröffnet werden, „während des gesamten Lebenszyklus einer politischen Maßnahme Stellungnahmen abzugeben“. Es geht aber auch um mehr Transparenz bei der Entscheidungsfindung in den trilateralen Verhandlungen: Das sind jene informellen Gesprächsrunden zwischen Kommission, Rat und EU-Parlament, bei denen über etwa 80 Prozent der EU-Gesetze entschieden wird.

Die Trilogverhandlungen sind auch für die europäische Ombudsfrau Emily O'Reilly – sie ist für das Aufdecken von Missständen bei den EU-Organen zuständig – Gegenstand intensiver Untersuchungen. Erst im Dezember hat O'Reilly eine öffentliche Befragung gestartet, die die Transparenz der Triloge unter die Lupe nimmt – sie erhofft sich damit etwa Antworten auf die Frage, „inwieweit und zu welchem Zeitpunkt Dokumente, die von den Institutionen ausgetauscht werden, veröffentlicht werden können“. Die Triloge seien zwar „erfolgreich, aber sie erzeugen auch ein Gefühl des Tauschgeschäfts“, sagt die Ombudsfrau im Interview mit der „Presse“.

Das politische Basarspiel aber beginnt freilich schon lange bevor die drei Institutionen überhaupt in gemeinsame Verhandlungen eintreten.

Hat die Kommission einmal einen Gesetzesvorschlag unterbreitet, wird er sowohl im EU-Parlament als auch im Rat debattiert. Während die Ausschusssitzungen des Parlaments für Interessierte abrufbar sind, finden die wirklich brisanten Verhandlungen zwischen den zuständigen Ministern im EU-Rat im Geheimen statt – wenngleich Beratungen zu Gesetzgebungsakten öffentlich sind.

EU-Chefs tagen geheim

Das Paradebeispiel für eine Politik der verschlossenen Türen aber ist und bleibt das wichtigste Gremium im Brüsseler Verhandlungszirkus: der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs. EU-Gipfel finden traditionell unter völligem Ausschluss der Öffentlichkeit statt – wohl auch, um die mitunter hitzigen Diskussionen nicht unnötig breitzutreten. Die Mitgliedstaaten selbst sind es also, die im Sinne von mehr Transparenz mit gutem Beispiel vorangehen sollten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2016)

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