Griechenland: Tsipras gerät unter Druck

Greek PM Tsipras looks on before welcoming Palestinian President Mahmoud Abbas at the Maximos Mansion in Athens
Greek PM Tsipras looks on before welcoming Palestinian President Mahmoud Abbas at the Maximos Mansion in Athens(c) REUTERS (ALKIS KONSTANTINIDIS)
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Die Gläubiger mahnen eine Pensionsreform ein, die von der Bevölkerung intensiv bekämpft wird. Die Hauptverkehrswege sind blockiert, bald auch Athens Zentrum.

Athen. Auf Griechenlands wichtigsten Verbindungsstraßen spitzt sich die Lage zu. Tausende Traktoren stehen an Knotenpunkten und blockieren den Verkehr – je nach Laune für einige Stunden oder auch Tage. Schmerzhaft ist vor allem die Blockade des Grenzübergangs Promachonas Richtung Bulgarien, der seit acht Tagen geschlossen ist. Die Lastwagen auf bulgarischer Seite stauen sich bereits kilometerweit. Und die Bauern sind entschlossen, die Schraube noch weiter anzuziehen. Sie wollen sogar im Athener Zentrum einrücken – Konflikte mit der Polizei sind programmiert. Das Ziel der Landwirte: Die geplante Reform der Sozialversicherung muss zurückgezogen werden.

Aber die Bauern sind nicht die einzigen Akteure in diesen unruhigen Tagen. Kaum ein Tag vergeht ohne kleinere Arbeitsniederlegungen oder Streiks, ohne Aktionismus mit der Besetzung von Behörden, der Blockade von Finanzämtern oder auch Prügelszenen. Das politische Klima ist rau geworden in den vergangenen Wochen. Fast fühlt man sich an das vergiftete Klima des Jahres 2011 erinnert, als die Regierung des Sozialisten Giorgos Papandreou um ihr Überleben kämpfte.

Neu ist freilich das Ziel des Volkszorns. Er richtet sich nicht mehr gegen die „alten“ Parteien der Konservativen und Sozialisten, sondern gegen das regierende Radikale Linksbündnis Syriza und dessen Chef, Premier Alexis Tsipras, persönlich, der vor einem Jahr mit dem Versprechen an die Macht gekommen war, dass er alles besser machen werde. Als Tsipras dann im Sommer schmerzhafte Kompromisse mit den Gläubigern schließen musste, hielt die Mehrheit der Wähler noch zu ihm. Doch nun, da die erst im September 2015 wiedergewählte Regierung konkrete Maßnahmen treffen muss, die sich schmerzhaft in den Brieftaschen der Bürger bemerkbar machen, kippt die Stimmung – Syriza ist aus der Mode gekommen.

Den Ministerpräsidenten aber scheint das nicht aus der Ruhe zu bringen. Er beschäftigt sich vordringlich mit dem Ausland. Vergangenen Donnerstag, am Tag des Generalstreiks, war er in London bei der Geberkonferenz für Syrien, diese Woche, während die Bauernblockaden eskalieren, macht er seinen Kratzfuß in Teheran. Die Regierungspartei bleibt nach außen hin ruhig, man schiebt die Proteste der vergangenen Wochen auf gezielte Stimmungsmache der alten Oligarchie, die sich von Syriza bedroht fühlte. So erklärt man sich auch die feindliche Haltung vieler Medien, die vor einem Jahr noch voller Begeisterung waren.

Doch die Lage ist alles andere als rosig. Die Regierungskoalition aus Syriza und den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (Anel) verfügt über eine hauchdünne Mehrheit von drei Stimmen im Parlament. Abgeordnete wie jener Syriza-Vertreter der Region Pella, vor dessen Büro Bauern einen Misthaufen abluden, wissen, dass sie politisch erledigt sind, sollten sie die angepeilten Reformen mitbeschließen.

Kein Spielraum für die Regierung

Der Spielraum der Regierung für Zugeständnisse an die wütenden Berufsgruppen, vor allem Bauern und Freiberufler, ist allerdings winzig. Denn nicht einmal der bisher vorgelegte Reformplan, der so viel Aufregung auslöste, scheint dem Gläubigerquartett genug zu sein. Man lehnt die Anhebungen von Sozialbeiträgen strikt ab und wünscht stattdessen eine kleinere Grundsicherung und weitere Pensionskürzungen, von denen wiederum die Regierung nichts wissen will. Die Geldgeber machen den Griechen auch unmissverständlich klar, dass jede Diskussion über eine weitere Schuldenerleichterung nur über den Umweg der Pensionsreform zu erreichen ist. Jeder verlorene Verhandlungstag kostet die Regierung daher wertvolle Zeit. So ist es zu erklären, dass Anel-Chef Panos Kammenos am Montag die Nerven durchgingen: Wenn keine Einigung erzielt werde, so der Verteidigungsminister, müsse man eben wieder an die Wahlurnen schreiten, richtete er den Gläubigern aus. Das freilich würde vor allem den Griechen selbst schaden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2016)

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