Hahn: „Türkei muss illegale Migration stoppen“

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TURKEY-EUROPE-MIGRANTS-ACCIDENT(c) APA/AFP/TURKISH COAST GUARD/STRINGER
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Im Gegenzug für drei Milliarden an Hilfe soll Ankara den Grenzschutz verstärken und abgewiesene Asylwerber zurücknehmen.

Brüssel/Wien. Die EU-Kommission hat die bisherige Kooperation mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage unter die Lupe genommen. Der am Mittwoch präsentierte Bericht zu dem am 29. November vereinbarten Aktionsplan EU/Türkei belegt zwar eine Reduzierung der ankommenden Zuwanderer aus der Türkei, nennt aber auch erhebliche Defizite. Bevor die bereits unter den Mitgliedstaaten gesammelten drei Milliarden Euro an Hilfszahlungen für die Türkei zur Gänze ausbezahlt werden, muss Ankara deshalb noch einige der vereinbarten Aufgaben erledigen. „Wir arbeiten gemeinsam mit Vertretern der Türkei zusammen, um die Voraussetzungen für die Auszahlung so rasch wie möglich zu schaffen“, sagte der für Nachbarschaftspolitik zuständige EU-Kommissar, Johannes Hahn.

Um sicherzustellen, dass die Türkei ihre Verpflichtungen einhält, wird das Geld schrittweise ausbezahlt, sobald Ankara die jeweiligen Maßnahmen umsetzt. In erster Linie betrifft dies die Sicherung der See- und Landgrenze zu Griechenland. „Die Türkei muss jetzt liefern und illegale Grenzübertritte massiv gegen null reduzieren“, so Hahn. Ein weiterer Ausbau des türkischen Grenzschutzes und ein schärferes Vorgehen gegen Schlepper sind laut dem Bericht notwendig. Außerdem soll die Türkei jene Asylwerber automatisch zurücknehmen, die in der EU keine Chance auf Aufnahme haben. Positiv wird der jüngste Beschluss der türkischen Regierung angeführt, den im Land befindlichen syrischen Flüchtlingen eine Arbeitserlaubnis zu gewähren.

Seit Herbst sind die Zahlen der Zuwanderer aus der Türkei von monatlich 214.792 (Oktober) auf 60.466 (Jänner) gesunken. Dies untermauert, dass die türkische Regierung Anstrengungen unternimmt, die Fluchtwelle nach Europa zu reduzieren. Obwohl die im Gegenzug versprochene finanzielle EU-Beteiligung an der Versorgung der Flüchtlinge vorerst auf zwei Jahre begrenzt ist, ließ die Kommission eine mögliche weitere Unterstützung durchklingen. Sie appellierte an die 28 EU-Regierungen, die finanzielle Hilfe für Ankara bei einer ausreichenden Kooperation noch zu erhöhen.

Erleichterung für Österreich

Der für Migration zuständige EU-Kommissar, Dimitrirs Avramopoulos, nahm aber auch die EU-Mitgliedstaaten bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise in die Pflicht. Sie müssten ihre Anstrengungen verstärken. In einem Brief an alle EU-Regierungen hat er diese Woche die vereinbarte Umsiedlung von 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien eingemahnt. Denn bisher seien nur 497 Personen in einem der EU-Länder aufgenommen worden. „Wir müssen bei der Umverteilung dringend hochschalten“, so Avramopoulos. „Die Ergebnisse sind zu armselig.“

Eine Erleichterung soll es dabei für Österreich geben. Die EU-Kommission erkennt die besondere Belastung des Landes durch die Flüchtlingswelle an. Deshalb muss Österreich vorerst um ein Drittel weniger Flüchtlinge aus diesem Verteilungssystem übernehmen. „Wir unterstützen Österreich, damit es mit dieser schwierigen Situation zurechtkommt.“

Eine weitere Maßnahme soll wieder Ordnung in die chaotische Weiterreise von Zuwanderern bringen: Das seit 2011 für Griechenland ausgesetzte Dublin-Abkommen soll laut der EU-Kommission wieder aktiviert werden. Auch Athen müsse die Voraussetzungen dafür schaffen, dass in anderen EU-Ländern abgewiesene Asylwerber wieder zurückgenommen werden. Das Dublin-Abkommen sieht vor, dass jenes Land für die Abwicklung eines Asylantrags zuständig ist, in das die Person zuerst eingereist ist. Griechenland müsste dann auch Wirtschaftsflüchtlinge zurücknehmen und selbst für deren Abschiebung in Drittstaaten sorgen. Um dies allerdings für das bereits äußerst belastete Land zu ermöglichen, sollen die Einrichtungen und Ressourcen für die Rückführung von illegalen Zuwanderern gemeinsam von allen Mitgliedstaaten geschultert werden.

Zentren der organisierten Rückführung sollen die noch immer nicht voll einsatzfähigen Hotspots werden. Von hier aus sollen Personen, die keine Aussicht auf einen Flüchtlingsstatus in der EU haben, rasch wieder in das Herkunftsland zurückgebracht werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2016)

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