Wie die EU Schengen retten will

Bloomberg
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Die Kommission will ab Dezember freie Fahrt in Europa – mit dichten Außengrenzen und einem Ende des Durchwinkens. Das geht aus einem Papier vor, das der „Presse“ vorliegt.

Brüssel. „Zurück in die Zukunft“ lautet das Motto der EU-Kommission, wenn es um das Management der Flüchtlingskrise geht. Am Freitag wird die Brüsseler Behörde unter dem Motto „Back To Schengen“ einen Rettungsplan für die zuletzt immer öfter infrage gestellte Reisefreiheit innerhalb Europas vorstellen. „Die Wiederherstellung der Schengenzone ohne Kontrollen an den Binnengrenzen ist für die gesamte Europäische Union von äußerster Wichtigkeit“, heißt es in dem Dokument, das der „Presse“ bereits vorliegt. Für einen Wiederbelebungsversuch ist es höchst an der Zeit, denn momentan ist Schengen klinisch tot. Der Massenandrang der Flüchtlinge und Migranten hatte zuletzt immer mehr Mitglieder dazu gezwungen, im Alleingang die Grenzübergänge für sogenannte „irreguläre Migranten“ zu schließen. Seit September haben Österreich, Slowenien, Deutschland, Ungarn, Belgien, Schweden, Dänemark, Frankreich und Norwegen temporäre Kontrollen eingeführt – die Folge ist ein immer größer werdender Rückstau in Griechenland, wo im Vorjahr knapp 900.000 Ankünfte gezählt wurden.

Die Kommission setzt ihre Prioritäten anders als zuletzt. Ging es im Vorjahr primär um die Verteilung der Neuankömmlinge, liegt der Fokus nun auf der Abdichtung der EU-Außengrenze. Dies sei „Verantwortung Griechenlands, aber schlussendlich der gesamten Union“. Athen wird aufgefordert, bis zum 12. März einen Aktionsplan vorzulegen, Mitte April will die Kommission einen Lokalaugenschein an der griechischen Grenze vornehmen – unterstützt werden soll Griechenland unter anderem von der Grenzschutzagentur Frontex sowie den EU-Mitgliedern.

Um nationalen Alleingängen den Boden zu entziehen, will die Kommission beim Umgang mit Flüchtlingen unter dem Motto „Das Durchwinken muss ein Ende haben“ zum Status quo ante zurückkehren. Soll heißen: Keine Reiseerlaubnis für jene, die in einem anderen Mitgliedstaat um Asyl ansuchen wollen. Am 16. März will die Brüsseler Behörde eine Reform der Dublin-Verordnung präsentieren. Sie besagt, dass Flüchtlinge in dem EU-Land, das sie zuerst betreten, um Asyl ansuchen müssen. Die Tatsache, dass Griechenland und Italien die Neuankömmlinge Richtung Norden passieren ließen, hatte die Krise zusätzlich befeuert. Die Kommission will bis Mitte Juli evaluieren, ob EU-Mitglieder Flüchtlinge im Rahmen von Dublin nach Griechenland zurückschicken können.

Türkisches Dilemma

Die Angelegenheit ist heikel: Die Brüsseler Behörde weist in ihrem Entwurf zwar darauf hin, dass die Mitgliedstaaten Personen, die nicht um Asyl ansuchen, sondern weiterreisen möchten, die Einreise verweigern dürfen. Griechenland bleibt dieser Ausweg allerdings verwehrt, so lange die Türkei sich weigert, die Neuankömmlinge zurückzunehmen. Die Kommission setzt ihre Hoffnung auf ein Abkommen mit Ankara über am kommenden Montag verhandelt wird (Seite 2,3), sowie auf die neu geschaffene EU-Küstenwache, die ab Herbst einsatzbereit sein soll. Geht alles gut, sollen innerhalb der Schengenzone spätestens ab Dezember wieder freie Fahrt gelten.

Aus der österreichischen Perspektive ist der Vorschlag ein gemischter Segen. Zum einen dürfte sich die Bundesregierung in ihren Bestrebungen, die Weiterreise der Flüchtlinge zu verhindern, bestätigt fühlen. Anderseits wünscht sich die Kommission hinsichtlich Grenzkontrollen keine „unilateralen Entscheidungen“, sondern eine „koordinierte Vorgangsweise“ – eine indirekte Kritik am Vorpreschen der Österreicher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2016)

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