Karas: „Alleingang ohne Absprache ist der falsche Weg“

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EU-Abgeordneter Othmar Karas fordert, dass sich Österreich in der Flüchtlingskrise hinter Merkel stellt.

Die Presse: Immer mehr Länder schotten sich in der Flüchtlingsfrage ab. Gibt es noch Chancen für eine gesamteuropäische Lösung?

Othmar Karas: Es gibt nur einen Weg, und der heißt Europa. Keine Hauptstadt, weder Berlin noch Paris, weder Rom noch Wien noch Budapest kann diese Herausforderung allein lösen. Es ist ein Problem, das wir in den vergangenen zehn Jahren zu wenig ernst genommen haben. Da gibt es eine gesamteuropäische Verantwortung.

Sehen Sie die Entscheidungen der österreichischen Regierung, Obergrenzen einzuführen, einen eigenen Gipfel mit den Balkanländern abzuhalten, auch als solchen Alleingang?

Alles, was nicht in Absprache mit der EU und mit den Nachbarn erfolgt, ist ein falscher Weg. Es geht nicht nur um die Maßnahmen, sondern auch um die Motivation, um die Wortwahl.

Was meinen Sie damit konkret?

Ein Balkangipfel kann hilfreich sein. Aber ein solcher Gipfel ohne Deutschland, ohne Schweden, ohne Griechenland, ohne EU-Kommission blendet die gesamteuropäische Verantwortung aus. Es geht im Moment nicht darum, gegenseitig Schuld zuzuweisen. Es geht um die Umsetzung gemeinsam gefasster europäischer Beschlüsse. Daher ist mein Appell für den EU-Sondergipfel am Montag: Es darf dort nicht darum gehen, Einzelmaßnahmen zu rechtfertigen. Sondern es muss die ganze Kraft dafür aufgewandt werden, wie die Umsetzung der Beschlüsse zu erreichen ist, wie ein Abkommen mit der Türkei zustande kommen kann. Österreichs Regierung ist gut beraten, den Kurs von Merkel zu 100 Prozent zu unterstützen.

Die Bundesregierung hat ja lang auf einen solchen europäischen Beschluss gesetzt.

Das stimmt einfach nicht. Die Beschlüsse gibt es, nur die Umsetzung ist mangelhaft.

Die Umsetzung wurde aber durch Länder wie Ungarn nicht mehr möglich gemacht.

Das alles schadet der Glaubwürdigkeit Europas. Das Problem ist, dass Mitgliedstaaten die gemeinsamen Beschlüsse konterkarieren und nicht umsetzen. Es geht jetzt darum, dass wir der Bevölkerung klarmachen, dass wir gemeinsam willens sind, die Außengrenze zu schützen, die Verteilung der Flüchtlinge anzugehen, dass wir willens sind, Schengen aufrechtzuerhalten. Kein nationaler Alleingang löst das Problem. Wenn in ein Land weniger Zuwanderer kommen, dann kommen in andere mehr. Wenn eine Route gestoppt wird, entsteht eine andere.

Ist es ein Problem, dass die EU zum einen intern nicht funktioniert, zum anderen externe Partner wie die Türkei braucht?

Es ist kein Problem, das ist ein Faktum, dass wir die Türkei brauchen. Wir brauchen die Türkei, um das Schlepperwesen zu bekämpfen. Und der Türkei muss im Umgang mit den Flüchtlingen geholfen werden. Genauso wie Griechenland geholfen werden muss. (wb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2016)

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